Full text: Girondisten und Jakobiner

CAMILLE DESMOULINS 
Des Camille Desmoulins Werk waren die „Discours de la lanterne aux Parisiens“, die 
später in die „Revolutions de France et de Brabant“ umgewandelt wurden. Dieser junge 
Student, der bei den ersten Volksbewegungen im Juli 1789 auf einem Stuhl im Garten 
des Palais-Royal sich zum Publizisten improvisierte, hatte in seinem oft bewunderungs- 
würdigen Stil etwas von seinem ersten Auftreten beibehalten. Es war der sarkastische 
Genius Voltaires, der aus dem Salon auf das Marktschreiergerüst herabgestiegen war. 
Niemand personifizierte die Menge besser intsich als Camille Desmoulins. Das war die 
Menge mit ihren unerwarteten und lärmenden Regungen, mit ihrer Beweglichkeit, ihrer 
Inkonsequenz und ihrer Wut, die von Gelächter unterbrochen wurde oder plötzlich in 
Rührung und Mitleid mit den geschlachteten Opfern umschlug. Ein Mann, der zu gleicher 
Zeit so glühend und so leichtblütig, so alltäglich und so begeistert war, so schwankend 
zwischen Blut und Tränen, so bereit, das zu steinigen, was sein Enthusiasmus eben zum 
Gott erhoben hatte, mußte über ein revolutionierendes Volk um so unbedingtere Herrschaft 
ausüben, je ähnlicher er ihm war. Seine Rolle war seine Natur. Er war nicht allein der 
Affe seines Volkes, er war das Volk selbst. Sein Journal, das des Abends an den öffent- 
lichen Plätzen kolportiert und mit Sarkasmen in den Straßen ausgerufen wurde, ist mit 
jenem Schmutz des Tages nicht weggefegt worden. Es ist geblieben und wird bleiben, wie 
sine.in Blut getauchte menippische Satire. Er ist der populäre Refrain, der das Volk zu 
den größten Bewegungen anführte und oft in dem Pfeifen des Laternenseils oder im Fall 
des Guillotinenbeils erstarb. Camille Desmoulins war das grausame Kind der Revolution. 
[n diesem Augenblick, nach der Urteilsverkündung im Girondistenprozeß, erhebt sich ein Schrei 
aus der Mitte der Menge. Ein junger Mann ringt mit einer Gruppe von Zuschauern und 
müht sich vergebens, durch die dichtgedrängten Reihen zur Tür zu gelangen. „Laßt mich 
fliehen, laßt mich diesem Schauspiel fliehen!“ rief er und bedeckte die Augen mit den Händen. 
„Ich Elender, ich bin es, der sie tötet! Mein ‚enthüllter Brissot‘ ist es, der sie anklagt 
und richtet! Ich kann den Anblick meines Werkes nicht aushalten! Ich fühle ihr Blut auf 
meiner Hand, die sie denunzierte!“ Das war Camille Desmoulins, inkonsequent in Mit- 
(eid und Haß, leichtsinnig bis zum Verderbten und bis zum Kindischen, von Tränen so 
rasch überwunden wie vom Blutdurst. Die Menge hielt ihn gleichgültig und voll Verach- 
tung zurück und brachte ihn zum Schweigen wie ein Kind. 
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