Zimmer, um die Unterhaltung fortzusetzen. Saint -Just warf seine Kleider auf einen Stuhl
und wollte schlafen gehn. — „Was machst du denn?“ fragte Robespierre. — „Ich lege mich
hin“, antwortete Saint -Just — „ Was! Du kannst in einer solchen Nacht an Schlaf denken?“
entgegnete Robespierre; „hörst du nicht die Sturmglocken? Weißt du nicht, daß diese Nacht
vielleicht die letzte sein wird für Tausende von unsersgleichen, die Menschen sind, wenn
du einschläfst, und Leichen sein werden, wenn du erwachst?“ — „Ach,“ sagte Saint -Just,
„ich weiß, daß man heute nacht vielleicht würgen wird; ich beklage es, ich wünschte nur
die notwendige Gewalt, um die Zuckungen einer Gesellschaft zu mäßigen, die zwischen
Freiheit und Tod sich quält. Aber was bin ich? Und dann sind, nach allem, die Schlacht-
apfer dieser Nacht keine Freunde unserer Ideen! Leb’ wohl!“ — und er schlief ein. — Als
er mit Tagesanbruch erwachte, sah er Robespierre im Zimmer auf und ab gehen, von Zeit
zu Zeit seine Stirn gegen die Fensterscheibe drückend, zur Helle des Himmels blickend
und auf den Straßenlärm lauschend. Saint-Just verwunderte sich, so früh schon seinen
Freund und auf dem gleichen Platze wiederzusehen. — „Was bringt dich denn heute so
früh hierher?“ fragte er. — „Was mich herführt? Glaubst du denn, ich sei zurückgekom-
men?“ — „Was! du bist nicht schlafen gegangen?“ — „Schlafen!“ erwiderte Robespierre,
„schlafen! wenn Hunderte von Mördern Tausende von Opfern hinwürgen, wenn reines
und unreines Blut floß wie Wasser in der Gosse!.... O nein, nein, ich habe mich nicht
schlafen gelegt, ich habe gewacht wie das Gewissen oder wie das Verbrechen; ja, ich war
schwach genug, nicht zu schlafen; aber Danton, Dantonhatgeschlafen!“
Saint -Just besaß trotz seiner Jugend die vollendete Reife des Staatsmannes: wenn auch
nicht in seinen Ideen, so doch wenigstens im Charakter. Er war zum Tyrannen geboren.
Er besaß die Frechheit zum Regieren, noch ehe er die Macht hatte. Er gab seinem Wort
nur die Form des Kommandos. Er war lakonisch wie der Wille. Seine Missionen in den
Lagern und der gebieterische Gebrauch, den er von seiner Gewalt über die Generale mitten
in ihren Armeen machte, hatten ihn gelehrt, wie leicht die Menschen sich unter die Gewalt
eines einzigen beugen. Seine Tapferkeit und die gewohnte Nähe des Feuers gaben ihm
die Haltung eines militärischen Tribuns, der ebenso bereit ist, einen Handstreich auszu-
führen als auszudenken. Robespierre war der einzige Mann, vor dem er sich neigte als
vor dem überlegenen, regelnden Gedanken der Republik. Er warf ihm seine Langsamkeit
vor, respektierte doch seine Unschlüssigkeiten und weihte sich seinem Sturz. Mit Robespierre
fallen hieß ihm: für die Sache der Revolution fallen. Er war ein ungeduldiger Schüler, doch
immer ein Schüler, und drängte das Orakel oft; aber er tat ihm keine Gewalt an.
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