Erwähnung von Verbrechen
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Pindar als Beweggrund gar keine Rolle, während sie für Aischylos
in seiner Danaidentrilogie ein Grundmotiv war.
Bei den Kadmostöchtern, die am Beginn des elften pythischen
Gedichts von Apollon ins Ismenion gerufen werden, vermißt
Schroeder S. 102 Autonoe und Agaue. Der Grund, warum Pindar sie
weggelassen hat, wird in den Schreckensszenen zu suchen sein, die
sich für jeden Hörer mit diesen Namen verbinden. O. 2, 24, wo
ebenfalls von Kadmos’ Töchtern die Rede ist, fehlen gleichfalls
Agaue und Autonoe, während Semele und Ino genannt werden‘?).
Bisweilen wird ein Vergehen in einem einzigen schwerwiegenden
Beiwort berührt, durch das es jedoch so verhüllt bleibt, daß man
die Bemerkung miß verstehen könnte. N. 9, 16 nennt Pindar Eriphyle,
die des Talaos Söhne dem Amphiaraos in die Ehe geben, ävögodduarTa.
Das Wort kann nicht ‚„„männerbesänftigend‘““ (Dornseiff, Übers.)
heißen, sondern nur „den Mann bezwingend‘‘, wie auch N. 3, 39
und Fr. 166. Der Dichter deutet so die Gefahr an, die in diesem
Weibe versteckt liegt: sie wird sich bestechen lassen und ihrem
Manne den Tod bringen (vgl. Schol. 35c). Die Scheu vor der Schmä-
hung läßt Pindar zu diesem Ausdruck greifen, der fast euphemistisch
anmutet!). In den homerischen Gedichten kommt Eriphyle einmal
vor, Od. 11, 326 oruyeoNy rt "Eoıpühny. Da ist sie unmißverständ-
lich abschätzig erwähnt.
Ähnlich dunkel wird P. 4, 252 von der Tat der lemnischen Weiber
gesprochen: Aaurıdv rt” E&dveı yuvaıxd dvögogpdvawr. Das hier ge-
brauchte Epitheton war bei Homer schmückendes Beiwort von
Helden, z. B. Il. 6, 498; 24, 479. Diese ursprünglich positive Be-
deutung muß auch zu Pindars Zeit noch merkbar gewesen sein,
Das Verbrechen der Lemnierinnen, die „ihre Männer ermordeten‘‘,
wird mit einem nicht durchaus verdammenden Worte berührt. Erst
später begegnet der Ausdruck als juristischer Terminus, z. B. Platon,
Phaidon 114a.
Offener, aber mit gleicher Kürze erwähnt Pindar P. 4, 250 Medeia
als Mörderin, züy IIeilao gorvdv, als die sie in der Dichtung vor
Pindar eine viel größere Rolle gespielt hat; vgl. S. 29, 2.
In einem Mythos ist dennoch eine Mörderin die Hauptfigur.
P.11,17ff. erzählt der Dichter von dem Verbrechen der Klytaimestra,
Fehr (a. a. O. 139f.) hat wohl mit Recht aus dem unpindarischen
Stoff geschlossen, daß der Dichter mit der Erzählung einem Wunsche
1) S. Fehr, Die Mythen bei, Pindar, Diss. Zürich 1936, S. 20.