92 6. Gruppen von Mädchen und Frauen
und damit zugleich Tanz umschließt. Pindar sagt Zeqvola Aoxpig
zagdEvoc, und jeder Hörer wird sich trotz dem Singular gleich
eine Mädchenschar vorstellen, die da singt. Die kollektive Bedeu-
tung liegt klar zutage. Bakchylides dagegen meint V. 84 x6ga nicht
kollektiv, wie das Pronomen tıs und das Beiwort öwpavyYs zeigen,
sondern sein Blick ruht zuerst auf der einen Repräsentantin des
Chores. Auch der Vergleich V. 87 führt uns nur ein einziges Kälbchen
vor. Erst 89f. bekommen wir die Vorstellung einer Gruppe durch
den Zusatz „mit ihren Freundinnen‘. Diese werden darauf mit der
geschilderten xdga zusammen Subjekt, Das Kollektive ist bei Pindar
handgreiflicher, wie er auch sonst junge Mädchen gern in geschlos-
sener Gruppe darstellt, so wie sie ihm in seiner Tätigkeit als Chor-
dirigent gegenübertreten. Dafür werden weitere Beispiele folgen.
Bedeutendere Unterschiede zeigen sich, wenn wir die Bilder, die
beide Dichter von den Mädchen entwerfen, eingehender betrachten.
Pindar beginnt vor dem Wort Jungfrau mit nüchternen Feststel-
lungen. Die Ortsangabe x06 öduwvy ist die einzige Bemerkung, die
etwas Farbe in das Bild bringt. Doch sonst bleibt es blaß. Denn
Sgaxetio” äocgalks geht nur auf. die innere Verfassung der Singenden,
nicht auf ihre äußere Erscheinung. Das Hauptgewicht ist in diesen
vier Versen nicht auf das szenische Kolorit gelegt, sondern auf den
gedanklichen Gegensatz z0lsulwr xaudtwvEE äuaydvwr—dogalts,
Ganz anders Bakchylides. Er beginnt nicht wie Pindar mit dem
Umkreis, der Örtlichkeit, sondern widmet sich sogleich mit aller
Liebe und Sorgfalt dem Mittelpunkt des Ganzen: Ein Mädchen
von hohem Ruhm!) singt Preislieder, Mit einem Beiwort, einem
bloßen Flitter ohne tieferen Sinn, wird die Schilderung begonnen.
Seine an den Epikern geschulte Erzählerkunst?) fordert Bakchylides
sofort zum Ausschmücken auf, während Pindar seinen Mädchen nur
lokale Bezeichnungen beifügt. Die Gestalten kommen dem Sinn
des Joniers entgegen, zwingen ihn, sie festzuhalten. Die Füße, also
ein Körperteil, werden hervorgehoben (V. 83)%. Dann faßt der
Dichter die Gesamterscheinung des Mädchens ins Auge und bringt
1) üpavxYc a. 8. wie ueEyavyYc von einer Person gesagt, Aisch. Pers. 641.
Vgl. auch V. 90 desselben bakchylideischen Gedichts,
?) Vgl. H. Buß, De Bacchylide Homeri imitatore, Diss. Gießen 1913.
3) Ich möchte eher mit Jebb Aevxols dvd yay isodvy ergänzen, da das
von Blaß vorgeschlagene oreiyovo” dvd yäy iepdvy schlecht zu dem folgenden
Pocehoxovoa paßt und ein schmückendes Epitheton an dieser Stelle durch-
aus der Art des Bakchylides entspricht, während ein bloßes xdösco: eher
pindarisch aussähe.