Full text: Mädchen und Frauen in Pindars Dichtung

Wörtliche Rede 
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Szene — soweit bei Pindar überhaupt von einer Szene die Rede 
sein kann — ergeben sich, wenn man den Inhalt der Wünsche be- 
trachtet. Homer schildert viele Verse hindurch (224—235) das Aus- 
sehen des Odysseus: Athene hat ihm ungewöhnliche ydoıs verliehen; 
V. 237 werden alle Einzelheiten zusammengefaßt, xdiAeT xal ydotoı 
orßwv‘ Uneito 68 xobon. Das Mädchen sieht diese xdpıs und ver- 
liebt sich allein in den schönen Mann. Und Pindars Kyrenäerin- 
nen? Oft haben sie Telesikrates siegreich vom Wettstreit heim- 
kehren sehen. Sie haben ihn gefeiert wie alle Landsleute. Und jede 
möchte ihn wohl zum Manne haben oder zum Sohne. Das ist keine 
Liebe auf den ersten Blick wie die der Nausikaa, sondern spartanisch- 
nüchterne Bewunderung für den Wettkämpfer. Im Grunde liegt 
dasselbe Motiv vor wie O0. 9, 91ff. und 95f., wo die Bewunderung 
der zaydyvoıs für einen Athleten hervorgehoben wird. Nur sind 
an unserer Stelle die Bewundernden einmal Mädchen?). Die durch 
„oder“ nur scheinbar getrennten Wünsche?) sind eigentlich nichts 
als Variationen des allgemeinen Wunsches, einen so gefeierten Mann 
zu den Ihrigen zählen zu dürfen. An den besonderen Wunsch nach 
Heirat mit Telesikrates ist nicht ernstlich zu denken, da xdow paral- 
lel zu vidv gesetzt ist, wobei doch mindestens der zweite Wunsch die 
Unerfüllbarkeit in sich enthält. Diese Mädchen haben ein Bild vor 
Augen, die Heimkehr des agontüchtigen, lorbeerbekränzten Jüng- 
lings oder Mannes, und denken sich in die Rolle der glücklichen 
Mutter oder Gattin, die ihn empfängt, wie Pindar P. 8, 83 solch 
eine Szene von der Rückkehr vom Kampfplatz allerdings nach 
einem unglücklichen Agon, also in negativem Sinne, andeutet (vgl. 
S. 78f.). Die zagdevızal sind nicht nur echte Kyrenäerinnen, die 
sicherlich wie in Sparta bei allen Agonen zuschauen durften, viel- 
leicht sogar selbst in die Arena traten wie die Jungfrauen im ar- 
chaischen Olympia®), sondern zugleich echt pindarische Frauen- 
') Umgekehrt erfahren wir O. 4, 19ff., wie die lemnischen Frauen den 
grauhaarigen Erginos verhöhnten, weil sie ihm einen Sieg im Agon nicht 
mehr zutrauten. Erginos aber vermochte es, sie durch eine Probe von 
dem Gegenteil zu überzeugen. Von dem Beifall der Amazonen nach 
dieser Tat läßt uns die kurze Erwähnung nichts mehr erfahren. 
2) Nicht richtig scheint mir Dornseiffs an Böckh (Explicationes p. 327) 
angelehnte Teilung der Mädchenschar „je nach dem Alter‘ (Übers. S. 109), 
ebensowenig Wilamowitz’ Paraphrase „daß alle kyrenäischen Mütter sich 
den Telesikrates zum Sohne, alle Mädchen zum Manne gewünscht hätten‘‘, 
Nur von zagdevıxal, nicht von Müttern ist die Rede. Warum sollen sich 
die Mädchen nicht wünschen, dermaleinst auch einen Telesikrates als 
Sohn zu haben? 
8) Vgl. Deubner, Kult und Spiel im alten Olympia (1936) S. 24. 
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