Einleitung
von der größeren oder geringeren Teilnahme, die Pindar seinen
Mädchen und Frauen zuwendet, dann und wann Schlüsse auf seine
Persönlichkeit zu ziehen. Einen Beitrag zu einer Biographie des
Dichters zu liefern, ist aber nicht beabsichtigt, wenn auch bis-
weilen auf das unübertrefflich lebensvolle, halb errechnete, halb
intuitive Pindarbild eingegangen werden muß, das Wilamowitz in
seinen Interpretationen entworfen hat,
Wie weit Pindar bei der Gestaltung der Frauen Wünschen der
Besteller stattgegeben hat, ist für uns schwer zu entscheiden. Gewiß
wird er bei Geschlechtssagen im eigentlichen Sinne, die nur für die
Siegerfamilie existierten, sich oft die mythischen Personen und
deren Handlungen haben vorschreiben lassen. Aber man darf hier
doch die Abhängigkeit Pindars nicht zu hoch anschlagen. Das gilt
auch für die Mythen im allgemeinen. Es soll zwar, soweit das nötig
und möglich ist, den Quellen der Geschichten nachgegangen werden,
Ich will jedoch, über die rein mythengeschichtliche Betrachtung
hinausgehind, versuchen, die Gestalten von Pindar aus zu erfassen.
Die Begreffe ‚Vorlage, ausschreiben, benutzen‘‘ scheinen mir
immer zu sehr von uns Heutigen, die wir Versionen vergleichen,
in die griechische Frühzeit gezerrt zu werden. Gewiß hat Pindar
Homer und hesiodische Eoien gelesen; aber es wäre falsch, in seiner
Dichtertätigkeit ein mühsames Sammeln und Ausschreiben von
alten erzählenden Büchern zu sehen. Dem Griechen, der schon
seiner Natur nach für die mythischen Geschichten besonders auf-
geschlossen war — fühlte sich doch jeder von Stand als Nachkomme
der Heroen — wurde alles, was er hörte und las, zu innerem Besitz.
Er erlebte im Geist, was wir, in weitem Abstand von jenen Menschen
und Dingen der Sage, eifrig zusammensuchen. Dazu kommt das
vorzügliche Gedächtnis des antiken Menschen, das es verbietet,
uns die Überlieferung und Umgestaltung der Mythen allzu technisch
zu denken, beispielsweise für jede Abweichung einer Erzählung
von einer anderen eine schriftliche Fixierung anzunehmen. Nun
wird man in der gesamten archaischen Literatur der Griechen kaum
einen eigenwilligeren Dichter finden als Pindar (vgl. Wilamowitz
105). Wie er seine Sprache Zeugnis ablegen läßt für seine schöpfe-
rische Individualität, so hat er auch in den Mythen sich nicht
sklavisch in den Grenzen des Herkommens gehalten. Das hat schon
das Altertum bemerkt (vgl. Schol. zu I. 1, 15b). Er übernimmt
nicht einfach die Sagen, wie sie im Volksmunde umliefen, sondern
gießt sie in eine neue Form, für uns am deutlichsten kenntlich da,