Full text: Mädchen und Frauen in Pindars Dichtung

1. Kampf 
Sein Wunschbild vom Weibe hat Pindar, wie schon Karl Jax!) 
bemerkt, im neunten pythischen Gedicht entworfen, und so möge 
die mythische Heldin dieses Epinikion die Reihe der zu besprechen- 
den Frauengestalten eröffnen. Wir müssen uns ins Jahr 474 oder 
473 versetzen, in Theben unter der Volksmenge stehend, wohl nahe 
bei des Dichters Hause (vgl. Wilamowitz 265. 269). In den ersten 
Versen kündigt Pindar, der, wie gewöhnlich, in erster Person durch 
den Mund des Chores spricht, ein Lob auf Telesikrates an, den 
pythischen Sieger im Waffenlauf, &Aßıov äy6öga öwwEinnov orEpd- 
vwpna Kvpdvas (V. 4). Mit einem nüchternen tdy (V. 5) gleitet der 
Dichter in die Erzählung von dem Mädchen, dessen Name gerade 
gefallen ist. Durch dieses unscheinbare Wort stellt er uns die Jung- 
frau zum erstenmal vor Augen, Noch kann man nicht erkennen, 
ob wirklich die menschliche Gestalt gemeint ist oder noch die 
zöA16?), deren Vermenschlichung freilich durch öww&izxov und 
otEPAvwLA (V. 4) vorbereitet ist. Diese spröde und wortkarge Art 
der Vergegenwärtigung ist bei Pindar sehr häufig anzutreffen, bei 
Männern mehr als bei Frauen®). 
Erst nach und nach, in tastendem Vorwärtsschreiten, rückt 
Pindar näher auf seine Gestalt zu. Das ist nicht selbstverständlich. 
Homer, der Ilonier, stellt Nausikaa mit folgenden Worten vor, 
1) Die weibliche Schönheit in der griechischen Dichtung, Innsbruck 
1933, S. 49. 
2) Dieses der griechischen Dichtersprache eigentümliche Hin und Her 
zwischen Sache und Personifikation oder Eponymos (vgl. Wilamowitz, 
Orestie 2, 238) zeigt sich bei Pindar besonders stark ausgeprägt (vgl. 
Dornseiff 52), und zwar überwiegend bei Wörtern weiblichen Geschlechts, 
3) Z. B. O. 1, 25; 8, 31; P. 9, 80; 11, 17. Anknüpfung durch das Re- 
lativpronomen findet sich ähnlich bei Bakchyl. 11, 40. 43 t& und rtds, 
von Artemis und den Proitiden gesagt. Die Stellen unterscheiden sich 
jedoch dadurch von der vorliegenden, daß jedesmal eine bunte Aus- 
schmückung dem nüchternen Pronomen vorausgeht: V. 37 “Aoteuis 
dyootEoa xovoaldxaros . . . °Hutga tokdxivroc, V. 42 eÖrnenlor xovgat. 
Das ist für den redseligeren Keer bezeichnend.
	        
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