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1. Kampf
diese Idealgestalt des dorischen Weibes, Pindars Vorliebe für das
Dorische,
Wilamowitz hat schon Herakles? 1, 88 die Sonderstellung Pindars
innerhalb der Literatur seiner Zeit betont, und in seinem letzten
Werk hebt er Pindars Einzigartigkeit innerhalb der ganzen griechi-
schen Literatur hervor (Glaube der Hellenen 2, 127): „Ganz ein-
seitig ionisch-attisch würde uns das Hellenentum erscheinen, wenn
Pindar nicht zu uns spräche, der Prophet des Pythiers.‘“ Was hier
im Hinblick auf Pindars Religion gesagt ist, kann man auch von
seinem Frauenbild behaupten. In der Tat ist Pindar in der Poesie
der einzige Gestalter weiblicher Idealbilder, die von dorischem Ethos
erfüllt sind; in der bildenden Kunst sind sie häufiger.
Aus den Denkmälern der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts
spricht sichtbar ein Überwiegen dorischen Geistes in der griechi-
schen Welt. Für das dem Manne angeglichene Frauenideal Pindars
sind die schönste Illustration die Giebelskulpturen vom Zeustempel
in Olympia?), deren Schöpfer man doch wohl in den dorischen
Stämmen zu suchen hat%?). Im Westgiebel finden wir Szenen wie
die eben behandelte pindarische dargestellt. Die Lapithen kämpfen
auf der Hochzeit ihres Fürsten Peirithoos gegen die eingeladenen
Kentauren, die sich an den Lapithenjungen und -mädchen vergreifen
wollten. Wie die Lapithin rechts neben Apollon?) sich gegen einen
der halbtierischen Gesellen wehrt, so rang Kyrene, die als Tochter
des Lapithenfürsten Hypseus mit den Mädchen im Giebel sogar ver-
wandt ist, mit dem thessalischen Löwen. Wie bei Pindar ist in den
Skulpturen auf Wiedergabe der weiblichen Schönheit kein Wert gelegt.
Die Darstellung der Kyrene in P. 9 zeigt, daß Pindar die Frau,
zumal bei einer mannhaften Tat, als dem Manne ebenbürtig an-
erkennt und achtet. Sie ist ihm keineswegs /Zo0&1ö0v xal oxdpn, wie
Wilamowitz, BSB 1909, 832, sich ausdrückt. Das gilt nicht einmal
für das Bereich der Liebe,
Noch in einem anderen Gedicht hat Pindar das Bild einer von
ähnlichem Heldenmut beseelten Frau ausgeführt, in N. 1. Der
Mythos dieses Epinikion erzählt von Herakles’ Schlangenwürgung.
V. 35 wird seine und des Iphikles Geburt erwähnt. Noch steht die
Mutter Alkmene ganz hinter den Kindern zurück, vor allem hinter
Herakles, auf dem unser Blick ruht. Hera schickt, von Haß gegen
1) Jax, Die weibliche Schönheit in der griechischen Dichtung, S. 83.
2) Vgl. Rumpf, Gercke-Norden 2, 3, 31.
3) Rodenwaldt, Olympia Taf. 51.