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2. Weissagung
der göttlichen Inspiration. „Aus unsterblichem Munde‘) läßt
Medeia das prophetische Wort entströmen. Sie steht den Göttern,
die ihr die Prophetengabe verliehen haben, näher als alle die
lauschenden Menschen um sie herum.
Pindar weiß wohl in bedeutungsvollen Worten das Ethos der
Medeia und die Größe des Augenblicks dem Hörer zu vergegen-
wärtigen. Er verzichtet aber darauf, ihr äußeres Auftreten auszu-
malen. Wir erhalten keinen Eindruck von der körperlichen Gestalt
der Prophetin. Der Ort der Handlung wird fast unmerklich in
Exos ... Onoawov (V. 9f.) angedeutet. Ob Medeia auf dem Schiffe
spricht oder am Strande, erfahren wir nicht, Wie plastisch hätte
es gewirkt, wenn geschildert wäre, wie sie die Mannen zusammen-
ruft?), wie sie in ihren Kreis tritt, welchen Eindruck ihr un-
erwartetes Auftreten auf die Krieger macht. Homer hätte diese
vielleicht sich etwas zuraunen lassen wie die troischen Greise beim
Erscheinen der Helene (Il. 3, 154ff.), desgleichen bei Pindar selbst
die Bürger auf dem Markt von Iolkos bei der Ankunft Ilasons, des
Mannes, tun (P. 4, 86ff.). Nicht minder würde uns ein Gleichnis
die Gestalt verdeutlichen wie bei Apollonios 3).
Auch nach der Prophezeiung vermeidet Pindar es, von Medeias
körperlicher Erscheinung zu sprechen:
57 oa Mnöelac E&nkwv orlyec. Emtakavy 6° äxlıntoı own
Po0EC ÄvTIVEOL TUXLVAY UNTIY KÄVUOPTEC.
Wir spüren, wie ihre Worte in den Herzen der Argofahrer nach-
hallen. Sie sitzen regungslos und schweigend da, ja, sie empfinden
etwas wie Schrecken vor den gewaltigen Ereignissen, die sie meistern
müssen). Sie sind tiefer erregt als Iasons Gefährten bei Apollonios
1) Die Überlieferung über Medeias göttliche Natur setzt relativ spät
ein. Pindar erwähnt sie sonst nicht als Göttin. Doch ist möglich, daß er
auch von ihrer Göttlichkeit wußte und mit d@avdrtov orduatos leise darauf
anspielt (vgl. Wilamowitz 387, 2; RE 15, 51, 10). Für pindarisch, wenn
auch sonst nicht belegt, halte ich aber gerade die uneigentliche Ver-
wendung von d*dvaroc, etwa in dem Sinne, den der Scholiast Asklepiades
(zu V. 18) annimmt, Ötı 0üdey tüv Öndevtwv ün’ aUTHS TEILS yeyEvnNTAL
0068 Eqddon, oder, wie Farnell es deutet, inspired by God. Der einzige
Sinn des Epithetons wäre dann, Medeia höhere Würde zu geben. Auf
eine ähnliche Verwendung von öaıuodvios komme ich S. 30 zu sprechen.
2). Wie Iason in einer ganz ähnlichen Szene bei Apoll. Rhod. 4, 1335ff.
3) Ebenda 1336ff.
4) zınoow hat immer den Nebensinn des Erschrockenseins, der Furcht,
so auch an der im Wortlaut sehr nahekommenden Stelle Soph. Ai. 170f.
ıdy dp ... OWN NthESLAP ÄDQwWVOL.