Full text: Mädchen und Frauen in Pindars Dichtung

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2. Weissagung 
Auch hier wird kein lebendiges Bild von der Verkündung des 
Spruches entworfen, Hekate erhält ein vielleicht zum Schmuck be- 
stimmtes Epitheton, das sich auf ihr Äußeres bezieht, gomvxdneta, 
in dem aber nach Pindars Art eine uns verborgene Prägnanz liegen 
könnte. ‚„„‚Gnädig‘“ wird die Göttin genannt, weil sie der Stadt, in 
der sie wohnt, Orakel erteilt. Pindar nennt Hekate nur an dieser 
Stelle; sie gehört also nicht zu den Göttinnen, zu denen er in engerem 
Verhältnis steht. Er hat sie lediglich den Abderiten zuliebe in seine 
Dichtung aufgenommen. Von allen betrachteten Prophezeiungen ist 
diese am wenigsten real wiedergegeben. Doch gerade das macht sie 
besonders eindrucksvoll. 
Im ersten Teil desselben Paian 2 findet sich ebenfalls die wörtliche 
Rede einer Frau, zwar keine Weissagung, aber doch feierliche An- 
sprache. Die Nymphe Abdera stellt V. 28 den Bewohnern ihrer 
Stadt warnend das Beispiel der „Mutter ihrer Mutter‘ (d. i. Athens) 
vor Augen. Sie ermahnt dazu, Freundschaft und Feindschaft recht 
zu üben, zumal sie, Abdera, noch eine junge Stadt ist), Die Worte 
der Abdera lenken den Blick der Zuhörer nach rückwärts und nach 
vorwärts. Das Gewicht dieses Appells an die Bürgerschaft in der 
Kriegszeit läßt Pindar zu dem Kunstmittel der direkten Rede 
greifen. Wie weit die Sprechende hier vergegenwärtigt war, läßt sich 
bei dem mangelhaften Erhaltungszustande des Paian nicht sagen. 
Die Erscheinung einer Göttin, die ebenfalls nicht eine Prophe- 
zeiung oder ein Orakel gibt, sondern einem Menschen den Weg in 
die Zukunft weist, muß in diesem Zusammenhange besprochen 
werden. Wir hatten schon im ersten Kapitel in der pindarischen 
Athene eine Göttin kennengelernt, deren Leben mit einem Alalaruf 
beginnt, die an kühnen Taten Gefallen hat und Helden Beistand 
leistet. Wie sie dem Bellerophontes geholfen hat, ist das Haupt- 
thema des Mythos von O. 13. V. 63—66a wird das Kephalaion, der 
Hauptinhalt, gegeben (s. Illig 27): Bellerophontes mußte vieles 
leiden, „ehe ihm den goldenen Zügel das Mädchen Pallas brachte‘. 
Jetzt läßt das Bild der Göttin den Dichter nicht wieder los, 16 Verse 
lang erzählt er von der Erscheinung der Athene Chalinitis (66—82). 
Höchst unklar 1äßt er am Anfang die Umrisse der Szene. Das er- 
innert daran, wie Pindar bei Medeias Prophezeiung auf eine nähere 
Bestimmung des Ortes verzichtet, auch an die beabsichtigte Dunkel- 
heit in dem eben besprochenen Paian (vgl. S. 28). Von einem 
!) Vgl. Wilamowitz, Sappho und Simonides 248,
	        
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