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3. Liebe
zückte. In der Eoie wird diese gebührend gerühmt worden sein
Dafür entwirft Pindar ohne tiefere psychologische Kunst eir.
geistiges Bild des Mädchens. Ihre Gedanken und Wünsche stellt er
uns vor, wie er sie sich denkt. Das eigentümlich Weibliche ist dabei
nicht erfaßt.
Koronis ist keine von den Großen unter Pindars Frauen wie
Kyrene, Medeia, Kassandra, an denen sich die Begeisterung des
Dichters entzündet. Aber obwohl ihr alles Heldische fehlt, nimmt
Pindar Anteil an ihrem Schicksal, wenn er es auch als gerecht an-
sieht. Ein verhaltener Ton des Mitleids klingt durch seine Worte,
Er sucht Koronis’ Schwäche zu erklären, und so wird sie einer von
len vielen Menschen, nicht Mädchen oder Frauen, die geirrt haben,
Wir hatten S. 61 gesehen, daß Pindar geschlechtliche Vorgänge
des weiblichen Lebens nicht gern zum Gegenstande seiner Dichtung
macht. Wie die Umarmungen werden auch Geburten meist sehr
kurz abgetan, z. B. O. 6, 85; 7, 71; P. 9, 16. 59; I. 8, 22; Fr. 30, 6.
Dabei ist das Wort „gebären‘“ außerordentlich häufig. Bisweilen
steht ein Satz mit tixteıy nur für die Angabe der Herkunft eines
Menschen, wo wir „Sohn der bzw. des‘ sagen würden: P. 9, 16;
N. 5, 13a. Immer liegt bei Erwähnung einer Geburt der Ton auf
dem Kinde, das zur Welt kommt. Die Geburt gehört mit in die
Ruhmeschronik eines Helden. Nie wird eine Geburt um ihrer selbst
nder um der Mutter willen geschildert. In P. 3 hat Pindar einmal
den Vorgang der Geburt überraschend anschaulich wiedergegeben,
weil die Geburt eine ungewöhnliche ist (V. 43 Apollon xalö” &
vexgo0 Ädoraoe). Das Wunderbare soll deutlich werden. Doch könnte
man sich gerade diese Partie, die an den Glauben der Zuhörer die
größten Anforderungen stellt, in der Eoie noch breiter ausgeführt
denken. Auf die Macht Apollons wendet Pindar also unsern Blick,
nicht mehr auf das Schicksal der Mutter.
Eine Geburt unter wunderbaren Umständen bildet auch den
Hauptinhalt der ersten Mythoshälfte von O. 6, den der zweiten die
Lebensaufgabe des eben geborenen Sohnes. Aus Gründen des Pro-
gramms, nämlich um die Iamiden aus Pitana am Eurotas herzu-
leiten (vgl. Wilamowitz, Isyllos 178ff.), setzt Pindar eine Dublette
vor den eigentlichen Geburtsmythos, die man mit Wilamowitz un-
schön finden kann. In beiden Fällen gebiert eine Jungfrau ein
heimlich von einem Gotte empfangenes Kind, Für den Dichter be-
zeichnend ist die Vergegenwärtigung der Pitana. „Nach Pitana an
des Eurotas Ufer‘ will Pindar fahren (V. 28). Jeder Hörer denkt