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4. Die Mutter
am Ende zuschanden gemacht, so scheint hier das Wort „Mutter‘‘
ohne jeden Gefühlsinhalt zu stehen und nur den Namen zu vertreten,
Eher könnte man für die Liebe eines erwachsenen Sohnes zu seiner
Mutter 0. 2, 30 anführen, wo unter drei Gottheiten, die Semele nach
ihrem Tode im Olymp lieb haben, ihr Sohn Dionysos besonders hervor-
gehoben wird: quiet ÖE vıy ITahläg alet
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Mutterliebe hat wohl selbst Neoptolemos gefühlt, der sich in Delphi,
nachdem er in Troia gewütet, so hochfahrend gebärdete, Paian 6,
113—120, „Die teure Mutter sah er darauf (d. h. nach der Zerstörung
Troias) nicht wieder“ heißt es V. 105f. Doch gleich darauf leitet der
Dichter in eine andere, mehr dorische Gefühlszone über — das zeigt
wiederum, daß man nicht zu viel Empfindung in den Worten uat&0a
xeÖövdy suchen darf —: „und nicht weilte er fürder auf des Vaters
Auen, die Rosse der erzgerüsteten Myrmidonen entflammend‘“‘.
Die Mütter sind nicht immer von der Art der Alkmene. Ihre
Wirkungsstätte ist gewöhnlich fern vom Kampf der Männer. So
erklärt es sich, daß Pindar P. 4, 184ff. einmal fast tadelnd von dem
Lebenskreis der Mütter redet. Die Helden der mythischen Welt
strömen von allen Enden zur Argofahrt zusammen, zu Taten bereit
(V. 169—183)
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Das Schiff soll nach Heras Willen in jedem Manne den Funken der
Begeisterung entzünden. Keiner soll bei der Mutter bleiben, die
hier als die Vertreterin des ungefährdeten Lebens erscheint, während
die Väter ihren Söhnen den Weg zur Areta weisen (Hermes V. 178;
Boreas V. 182). Diesen Müttern zu Hause ist Pindar genau so ab-
geneigt wie den olxdoıas Eraigaı der Kyrene (P. 9, 19; vgl. S. 8)
und überhaupt der Welt des Thalamos (vgl. S. 74). Aber sie stellen,
wie wir sahen, keineswegs den Typus der pindarischen Mutter dar.
Daß Pindar jedoch auch die Bedeutung der Frau für die Adels-
paideia zu schätzen weiß, lehren die Verse P. 4, 102ff, Iason ist
eben als Jüngling in seine Heimat Iolkos zurückgekehrt, um von
dem Usurpator Pelias sein Recht zu fordern. Auf dem Marktplatz
antwortet er jenem auf seine anmaßende Frage nach der Herkunft: