Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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Was die slavische Welt betrifft, so habe ich vieles den 
Russen und Polen, auch den Jugoslaven zu danken. Die Italiener 
und Skandinavier haben mein Wissen und meinen Horizont er 
weitert. 
Ich war mein Lebtag ein fleißiger leidenschaftlicher Leser 
und gewissenhafter Beobachter des zeitgenössischen Weltge 
schehens. Wenn ich sagen sollte, welche Kultur ich für die 
höchste halte, so würde ich antworten: die anglo-amerikanische; 
ich habe mich wenigstens durch meinen Aufenthalt in England 
während des Krieges und durch sehr kritische Beobachtung des 
englischen Lebens davon überzeugt, daß die Engländer sich im 
großen und ganzen am meisten den Idealen der Humanität ge 
nähert haben. Dasselbe habe ich auch aus dem amerikanischen 
Leben herausgefühlt. Damit will ich nicht gesagt haben, daß 
mir die englische und amerikanische Kultur am liebsten sei — 
das ist eine andere Frage; ich sehe und fühle die Mängel von 
uns Slaven, aber ich liebe die slavischen Fehler und Tugenden. 
Und ebenso hat mich Frankreich und sein Geist immer angezogen, 
obwohl ich vieles kritisierte und verurteilte, ebenso wie ich gegen 
unsere nationalen Mängel und Gebrechen nie blind war. 
Die deutsche Kultur habe ich stets geschätzt, aber ich habe 
mich in ihr selten daheim gefühlt. Ich konnte mich nicht be 
geistern. Insbesondere vermag ich Preußen nicht zu lieben, aber 
ich bemühe mich, ihm gerecht zu werden. Wenn ich wirk 
lich etwas hasse, so ist es das Österreichertum, besser gesagt, 
das habsburgische Wienertum, diesen dekadenten Aristokratismus, 
der dem Trinkgeld nachläuft, diesen falschen, niedrig gesinnten 
Habsburgismus, dieses anationale und doch chauvinistische 
Kunterbunt von Personen des offiziellen Wien. Das Preußentum 
liebe ich nicht, aber ich habe es lieber mitsamt seinem robusten 
Kasernentum und seiner hungrigen Parvenüriicksichtslosigkeit; 
hat doch sogar der Kaiser Wilhelm mit seinem dilettantischen 
Gerede, mit seinem Vorsehungspielen, nolens volens, für die 
Demokratie mehr geleistet als dieser schweigende „blutige Sou 
verän", der sich etwas darauf zugute tat, daß er der vollkommenste 
Aristokrat der Welt sei — ein seinem ganzen Wesen nach niedriger 
Mensch. 
Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß von meinen zahlreichen 
deutschen Freunden wenigstens ein Teil mit mir übereinstimmen 
wird.
	        
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