Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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der Krieg hat die Monarchie viel Geld gekostet, und die Öster 
reichisch-Ungarische Bank wurde zu einer Anstalt zur Ausgabe 
falschen Geldes degradiert 1 ). 
Das selbständige Böhmen wird gezwungen sein, seine Ver 
waltung mit einer bedeutenden finanziellen Last zu übernehmen; 
die politischen Führer sind sich der schweren Aufgabe, die ihnen 
zufallen wird, wohl bewußt, und sie wissen, daß' der neue Staat 
eine straffe und sehr korrekte Finanzverwaltung erheischen wird. 
Man kann aber ohne Übertreibung sagen, daß Böhmen und die 
Slowakei für alle Fächer des öffentlichen und privaten Dienstes 
gute Verwalter finden werden, welche über die zum Aufbau eines 
neuen Staates notwendigen Fähigkeiten verfügen 2 ). 
In dieser Skizze lassen sich nicht alle sozialen und wirt 
schaftlichen Probleme Böhmens behandeln; wir wollen aber trotz 
dem ein paar Worte über die besondere Stellung der böhmischen 
Großgrundbesitzer (Aristokratie) sagen, welche eine ähnliche 
Stellung haben wie die bekannten ostelbischen Junker. Ähnlich 
wie die Deutschen den Slaven in Ostpreußen den Boden konfisziert 
haben, haben Österreich und dessen adelige Mitschuldigen nach 
der Schlacht am Weißen Berge in Böhmen gehaust. Die Folge 
dieser und der früheren Diebstähle in Böhmen war, daß Lati 
fundien entstanden sind, deren Ausdehnung kleinen deutschen 
Staaten gleichkommt. Die Besitzer sind in der Mehrzahl öster 
reichisch gesinnt. In der Slowakei und im ruthenischen Gebiete 
haben die Magyaren in ähnlicher Weise viel Boden für sich 
besetzt. In Böhmen und in der Slowakei ließe sich das irische 
Beispiel des Loskaufes und der Bodenparzellierung nachahmen, 
was in der Tat alle fortschrittlichen Parteien schon vor dem 
Kriege verlangt haben. 
48d. Der tschechoslowakische Staat wird zweifellos eine Re 
publik sein. Gerade dieser Krieg hat den kontinentalen Mon 
archismus, seinen reaktionären Geist und seine Gefährlichkeit 
enthüllt; das tschechische und slowakische Volk ist für die 
Republik reif. 
Wir haben uns seit Jahrhunderten abgewöhnt, Könige zu 
haben, die Habsburger waren uns immer fremd; auch der Adel 
*) Seit Beginn des Jahres 1914 wurde der Qoldvorrat der Öster 
reichisch-Ungarischen Bank nicht veröffentlicht. 
2 ) Böhmen möchte die Frankenwährung einführen, welche die la 
teinische und die russische Währung miteinander verbindet: 20 Fr. = 
7,5 Rubel (40=15).
	        
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