Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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hatte sich der Nation entfremdet, weil er sich eng an die fremden 
Habsburger angeschlossen hatte 1 ). Der Adel in Bosnien und 
der Herzegowina wurde türkisch, der Adel in Böhmen habs 
burgisch. Auch die Kirche hat sich der Mehrzahl des Volkes ent 
fremdet, und dasselbe gilt von dem dynastisch gedrillten Militär 
— unser Volk ist aus allen diesen Gründen für die Republik reif. 
Die Selbständigkeit des tschechoslowakischen Staates ist eine 
Forderung politischer Gerechtigkeit; durch seine geographische 
Lage in Europas Mitte und durch seinen angestammten Kampf 
gegen den deutschen Andrang gegen den Osten ist das tsche 
chische und slowakische Volk die Vorhut aller osteuropäischen 
Nationen. Sollte das tschechoslowakische Volk unter der Bot 
mäßigkeit der Deutschen und der mit den Deutschen verbundenen 
Asiaten (Magyaren, Türken) bleiben, oder gar untergehen, wird 
das pangermanische Zentraleuropa mit allen seinen sich daran 
knüpfenden Folgen verwirklicht werden. Die tschechoslowakische 
Frage ist eine Frage, welche die ganze Welt berührt, eine Frage, 
um welche es sich gerade in diesem Kriege handelt: ein freies 
Böhmen oder ein reaktionäres Österreich — ein freies tschecho 
slowakisches Volk oder die degenerierten Habsburger — so steht 
die Wahl für Europa und Amerika, das denkende Europa und 
Amerika! 
Die geographische Lage in Europas Mitte und der geschieh t- 
lichei-Widerstand der Tschechen gegen den verknechtenden Ger 
manismus und Pangermamismus verleihen Böhmen eine große 
politische Bedeutung, die die Verbündeten schon anerkannt haben. 
Es liegt im Interesse der Verbündeten, Böhmen zu befreien, wenn 
anders der preußische Militarismus und die preußische Herrsch 
sucht gebrochen werden und der pangermanische Plan, Berlin- 
Kairo und Berlin—Bagdad vereitelt werden soll. Der Plan der 
Verbündeten und auch der Plan des Feindes bedeuten ein weit 
reichendes politisches Programm. Der Krieg und seine Folgen 
sind das größte Ereignis der Menschheitsgeschichte. Die na- 
poleonischen Kriege, der Dreißigjährige Krieg, die Kreuzzüge — 
alles Kinderspiele im Vergleiche mit diesem Kriege. Die realistisch 
*) Graf Czernin führt in dem erwähnten Memorandum, welches er 
Franz Ferdinand übergeben hatte, bittere Klage über die Tschechen, 
daß sie am wenigsten dynastisches Gefühl hätten. Wir quittieren gerne 
diese Denunziation des böhmischen Adeligen, der sich schon vor Jahren 
als Deutscher erklärt hat.
	        
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