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Eine slavische Barriere gegen den Pangermanismus?
51. Ein befreites und geeinigtes Polen, ein befreites und ge
einigtes Böhmen mit der Slowakei, die befreiten und geeinigten
Jugoslaven —• so sagen die Pangermanen — werden eine Barriere
gegen die Deutschen sein; die Polen gradaus gegen die Preußen,
die Tschechen und Slowaken gegen Preußen, die Österreicher
und die Magyaren, die Jugoslaven gegen die Österreicher und die
Magyaren.
Im gewissem Sinne ist dies richtig — der gemeinsame Feind,
der mit aller Macht gegen Osten drängt, eint naturgemäß und
notwendig die slavischen Völker; aber diese Barriere ist offen
sichtlich rein defensiver Natur. Diese drei slavischen Staaten
werden keine Pufferstaaten sein: dieser Begriff hat in einem
demokratischen und unmilitaristischen Europa keinen Sinn, da
alle Nationen, eine der anderen, loyale, gute Nachbarn sein
werden. Diese Barriere ist durch die Geschichte und Siedelung
der Völker in der Kleinvölkerzone gegeben: die drei slavischen
Nationen, durch den hundertjährigen Kampf mit den Deutschen
und Magyaren gestählt, sind in der anbrechenden demokratischen
Epoche eine natürliche Wehr gegen den deutschen Drang nach
dem Osten; es kommt nur auf die Deutschen an, daß sie sich
auf ihr deutsches Territorium beschränken.
Aber auch die Rumänen und die Italiener haben die drohende
deutsche Gefahr begriffen und haben sich daher den Slaven an
geschlossen, obwohl es unter ihnen nationale Reibungen gegeben
hatte; man kann also von einer slavischen Barriere eigentlich
nicht sprechen — es gibt eine slavische und eine romanische
Barriere, d. i. eine defensive Gemeinbürgschaft aller von den
Deutschen bedrohten Völker. Aber den Romanen und Slaven
werden sich auch die Litauer, Letten, die Esthen anschließen.
Eine Kette freier Nationen, welche sich dem Pangermanismus
vom Belt bis nach Frankreich hin entgegenstellen, ist durch Ge
schichte und Geographie gegeben: Esthen, Letten, Litauer, Polen,
Tschechen mit den Slowaken, Rumänen, Serben mit den Kroaten
administrative Einheiten bleiben und stufenweise sich zu einem einheit
licheren Staat entwickeln. Montenegro könnte bald an Serbien angeglie
dert werden, auch Bosnien und die Herzegowina, Istrien (slavisches Ge
biet) und Dalmatien an Kroatien.