Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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bürokratisches System gebracht. Die gesamte staatliche Tätigkeit 
wird im Hinblick auf die Armee geleitet, der Offizier wird zum 
Maßstab der Bürger und der Welt überhaupt. Der preußische 
Militarismus wird allgemein als Muster und Quell dieses gesell 
schaftlichen Übels angesehen. Die preußischen Militaristen zeigen 
uns selbst und ganz richtig, daß das ganze Leben in Deutschland 
militarisiert ist — die deutschen Theologen (die modernen!) haben 
auch aus Jesus einen Korporal und aus Gott einen Rechnungs 
feldwebel gemacht. 
Dieser Militarismus ist, wie eben der gegenwärtige Krieg 
beweist, nicht notwendig; dem preußischen Militarismus setzt 
sich nicht nur Frankreich, sondern auch England, ganz gut zur 
Wehr — obwohl England keinen Militarismus besitzt; das Heer 
der Verbündeten kämpft nicht weniger tapfer als die Deutschen; 
wenn man bedenkt, daß eigentlich nur Deutschland auf den Krieg 
vorbereitet war und daß die deutschen Soldaten in militärischen 
Dingen Spezialisten sind, so erscheinen diie Leistungen der Ar 
meen der Verbündeten relativ höher als diejenigen der deutschen 
Heere. Unzweifelhaft hat dieser Krieg den preußischen Militaris 
mus schon niedergerungen — der Militarismus ist nicht mehr 
der Wertmaßstab des Menschen und der Völker. 
Die Miliz wird für die Demokratie ein ausreichendes System 
der Verteidigung sein, wie dies auch von den antimilitaristischen 
Sozialisten (Engels) zugegeben wird. 
24. 
Wer ist für den Krieg verantwortlich? 
54a. Vom demokratischen Standpunkte ist die Frage, wer 
den Krieg verursacht, wer angegriffen und wer sich verteidigt 
hat, die Frage, wer schuld ist, sehr wichtig. Die Demokratie hat 
ihre Begründung in der Sittlichkeit; eben darum ist die Frage 
der Schuld wichtig. 
Ich stimme also mit jenen nicht überein, die die Politik und 
darum auch den Krieg von der Ethik unabhängig machen und 
die politischen Aktionen, insbesondere die Massen-Aktionen, als 
die großen Ereignisse der Weltgeschichte, den „kleinen“, privaten 
Ereignissen des Alltagslebens überordnen, für welche die üblichen 
Normen der Sittlichkeit gelten. Ein solcher Unterschied existiert
	        
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