Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

Auf Seite der Verbündeten sind die bedeutenden demo 
kratischen Kulturstaaten, insbesondere die zwei ältesten Re 
publiken; ihre Gegner, Preußen-Deutschland, Österreich-Ungarn 
und die Türkei sind veraltete monarchistische, mittelalterliche 
Staaten, die ältesten Reaktionsformen des theokratischen Ab 
solutismus. Auf Seite der Verbündeten ist die ganze Welt, 
die Zentralmonarchien sind sittlich isoliert. Das Programm dieser 
Monarchien ist eroberungssüchtig militaristisch; das Programm 
der Verbündeten ist defensiv, pazifistisch. Das deutsche Pro 
gramm ist antinational, das Programm der Verbündeten ist auf 
der Anerkennung des Rechtes aller Nationen, der kleinen, wie der 
großen, gegründet; das Programm der Verbündeten ist demo 
kratisch, das deutsche Programm ist aristokratisch. 
Der deutsche Plan ist ein Werk des Pangermanismus und 
von diesem Plan haben sich die Zentralmächte politisch und 
strategisch auch leiten lassen. 
Der Pangermanismus strebt ein deutsches, resp. ein von den 
Deutschen beherrschtes Zentraleuropa an, dessen Kern Preußen 
und das preußische Deutschland mit Österreich-Ungarn bilden 
würde; Österreich-Ungarn bedeutet für den Pangermanismus eine 
Kolonie, ist eine Brücke nach Asien; Österreich-Ungarn ist die 
Vorhut des Pangermanismus auf dem Balkan und in der Türkei. 
Über die Türkei zielt Berlin nach Asien und Afrika. 
An Zentraleuropa gliedern die Panigermanen im Westen einige 
Nachbarländer an, wie Holland, Belgien, Teile von Frankreich 
und Italien; die Hauptsorge des Pangermanismus bleibt es aber, 
sich Österreich-Ungarn und damit zugleich den Balkan und die 
Türkei in Botmäßigkeit zu erhalten. 
Der Pangermanismus ist in seinem alten „Drange nach Osten“ 
zuallererst slaven-, bezw. russenfeindlich. Schwächung der 
Slaven und Rußlands bedeutet das erste Stadium des zu ver 
wirklichenden pangermanischen Programmes; Rußland und die 
Slaven sind den Deutschen das Hindernis auf dem Wege nach 
Asien. Die weiteren Pläne Berlins sind gegen England und 
Amerika gerichtet; die Herrschaft über Asien und Afrika soll 
die Herrschaft über den Westen und die ganze Welt verbürgen. 
Um der Gefahr des Pangermanismus zu begegnen und sie zu 
brechen, ist auf Seiten der Verbündeten Entschlossenheit, Tatkraft 
und Zusammenarbeit nicht bloß während des Krieges, sondern 
auch nach dem Kriege erforderlich. Das Hauptbestreben muß 
9 Das neue Europa. 
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