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die Vereinigten Staaten, Rußland, England und Indien, Österreich-
Ungarn, Italien, Holland, die Schweiz, Brasilien, Argentinien
hatten mit Deutschland enge Handelsbeziehungen angeknüpft
— die deutsche „penetration pacifique“, wie man es jetzt nennt,
war überall sehr wirksam. Die Deutschen fanden für ihre In
dustrie hinlänglichen Absatz und verstanden es, sich die not
wendigen Rohstoffe und Halbfabrikate der fremden Länder zu
verschaffen; Kaiser Wilhelm hatte für den tatsächlichen Zustand
den richtigen Ausdruck gefunden, als er die Deutschen auf das
Meer hinwies.
Die erfolgreiche Industrialisatiion und der über die ganze
Welt sich erstreckende deutsche Handel gaben den Gedanken
einer Weltherrschaft ein und stärkten so die traditionelle Idee
des deutschen Imperialismus des römischen Kaisertums; mit der
Besiegung Napoleons III. hatte Preußen das Imperium des
Mittelalters erneuert, welches Österreich 1806 aufgegeben hatte;
der Zollverein und Bund waren der Übergang zur Industrialisation
und zum Imperialismus.
Noch im Krieg traf ich ziemlich viele Politiker, welche den
Pangermanismus mit einem Achselzucken und einem spöttischen
Lächeln abtun zu können vermeinten — „Utopismus“, „Studenten-
und Professorenpolitik“.
Bismarck hatte nach 1866 das schwierige Verhältnis zu
Österreich geordnet. Er hat es erreicht, daß Österreich 1 nach
seiner Niederlage aus Deutschland ohne Länderverlust und gegen
geringfügiges Entgelt entfernt wurde; er schonte so die per
sönlichen Ambitionen des Kaisers Franz Josef und gewann Öster
reich als ergebenen Verbündeten. Die Magyaren, von den ge
schwächten Habsburgern wieder in Gnaden aufgenommen und
durch die Umbildung Österreichs in das dualistische Österreich-
Ungarn gewonnen, akzeptierten nach 1867 die ihnen von Deutsch
land zugedachte Rolle und Preußen hatte auf diese Weise das
Fünfzigmillionenreich zu seiner Verfügung; Lagarde bestimmte
das Verhältnis Österreichs zu Deutschland als das einer Kolonie
Deutschlands. Die Deutschen in Österreich wurden die radi
kalsten Pangermanisten, Bismarck war klug genug, sich von ihnen
loszusagen („Herbstzeitlose“), aber die pangermanische Studenten
abordnung aus Österreich eiferte er an, die slavischen Sprachen
zu lernen, wenn sie die slavischen Völker beherrschen wollten.