Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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Als sich Österreich 1526 mit dem nichtdeutschen Böhmen 
und Ungarn zu einer Union vereinigte, schwächte es da 
durch seine Stellung im Reiche. Preußen, in nationaler Beziehung 
einheitlicher, wurde gestärkt und strebte in Deutschland ganz 
offen den Primat gegen Österreich an. Durch die Reformation 
wurde der Gegensatz und der Antagonismus gestärkt, Preußen 
wurde der Führer des deutschen Protestantismus, Österreich der 
Führer des deutschen Katholizismus. Trotz dieser Unterschiede 
hatten die beiden Nebenbuhler viel Gemeinsames: den Ursprung 
— beide entstammten der Kirche und beide hatten dasselbe 
politische Ziel, die Germanisierung des Ostens; Österreich und 
Preußen, die Hohenzollern und Flabsburg repräsentieren eine 
besondere politische Arbeitsteilung. 
Darum haben sich die Nebenbuhler trotz allem Antagonismus 
schließlich gefunden. Von dem Verlangen geleitet, Napoleon 
nachzuahmen und die Monarchie durch eine gewaltsame, zen 
tralisierende Verfassung zu ,einigen, verzichtete Österreich auf 
seine Führerschaft im deutschen Kaiserreiche (im Jahre 1806). 
Als Preußen im Jahre 1866 seinen Nebenbuhler aus dem Bunde, 
der für Österreich eine Art Ersatz für das frühere Kaisertum be 
deutete, durch Waffengewalt entfernt hatte, konnte es, ohne 
jeden Protest von österreichischer Seite, das Kaisertum im Jahre 
1871 erneuern. Bismarck hat die Sache so gemacht, daß Franz 
Josef die Niederlage bei Königgrätz resigniert trug und die 
Grenzen seines Reiches auf den Balkan ausdehnte; Bismarck hätte 
vielleicht für den ganzen Balkan die Knochen eines einzigen 
pommerischen Grenadiers nicht hingegeben, aber Wilhelm hat 
diese Politik korrigiert, und das balkanische und adriatische Länder 
gebiet Österreichs wurde für Preußen zur Brücke nach Asien 
und Afrika. x ) 
11. In historischer Perspektive kann man den deutschen 
„Drang nach Osten“ als einen Versuch ansehen, die alte orien- 
x ) Die deutsche Bezeichnung „Der Drang nach dem Osten“ ist 
geographisch nicht ganz zutreffend; dieser Druck ist in Wirklichkeit 
gegen Südosten gerichtet oder nach Osten und Süden. Bei detaillierterem 
Studium müßten wir den deutschen Drang nach Osten mit ähnlichen Ten 
denzen bei anderen Nationen vergleichen; mit dem französischen Drange 
nach Deutschland, dem italienischen nach dem Balkan, dem schwedischen 
nach Finnland und dem nördlichen Deutschland, dem polnischen nach 
Rußland, dem tschechischen nach Galizien usw. Höchstwahrscheinlich 
handelt es sich hier um eine historische Erscheinung allgemeiner Natur. 
Diesen Drang nach Osten müßten wir gewiß auch mit den früheren
	        
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