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liehen Organe der Menschheit, indem er zugleich' die Staaten
als „künstliche“ Organe ablehnt. Europa organisiert sich politisch
immer mehr im Geiste des nationalen Prinzips.
13b. Die Nationalität äußert sich praktisch in der Sprache,
zumal in der gesprochenen Sprache (Muttersprache); die Sta
tistik derNationen wird nach Sprachen bestimmt, die Grammatiker
untersuchen, inwieweit sich die Dialekte von wirklichen Sprachen
unterscheiden. Es ist und kann natürlich kein Zweifel darüber
sein, daß das Deutsche und das Französische, das Russische und
das Deutsche selbständige, verschiedene Sprachen sind; es ist
aber streitig, ob das Kleinrussische (Ukrainische) eine selbständige
Sprache oder ein Dialekt, und somit die Kleinrussen (Ukrainer)
ein besonderes Volk sind, usw.
Die Wichtigkeit der Sprache bei Bestimmung der Nationalität
ist leicht einzusehen, die Sprache dient als Ausdrucksmittel für
die Gefühle und Gedanken des Menschen, „le style c’est l’homme“
gilt auch hier, und die Sprache hat eine ungeheure soziale Be
deutung, sie ermöglicht den Verkehr der Menschen. Die
Nationalität, das Volkstum, der nationale Geist äußert sich daher
in der ganzen Literatur; von der schönen Literatur wird dies all
gemein zugegeben, — große Dichter werden als die ausdrucks
vollsten Repräsentanten ihrer Nationen angesehen. Aber auch
die Wissenschaft und die Philosophie haben ihr besonderes
nationales Gepräge — sogar auch die Mathematik, diese ab
strakteste Wissenschaft, ist je nach der Nation, die sie betreibt,
verschieden. Die Wissenschaften und die Philosophie unter
scheiden sich je nach der Nation, dem Inhalte (darnach nämlich,
was die verschiedenen Nationen interessiert und was sie mehr
interessiert) und auch der Methode nach. Ebenso wird die
bildende Kunst als Äußerung der Nationalität angesehen, aber
dasselbe läßt sich auch von der Religion, den Sitten, dem Recht,
der Arbeit (der Arbeits- und Wirtschaftsbetrieb ist je nach der
Nation verschieden — Verschiedenheit der Volksnahrung, der
Küche, der Wohnung usw.), auch vom Staat und der Politik sagen.
Als slavisch wird z. B. die Orthodoxie erklärt, der Katholizismus
wird als romanisch, der Protestantismus als germanisch ange
sehen; es wird der Unterschied zwischen römischem, ger
manischem und slavischem Recht festgestellt, man weist auf
den Unterschied zwischen dem preußischen, dem englischen,
dem russischen Staat hin usw. Alle diese Probleme erfordern