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Da meldet sich das Problem der Rasse, welche viele Forscher
als die eigentliche physische und psychische Grundlage der
Menschengeschlechter (Rassen) und Nationalitäten ansehen. Man
weist darauf hin, daß fast alle Nationen stark gemischt sind, daß
es ganz reine Nationen, ganz reines Blut, nicht gebe. Es taucht
dann die Frage auf: sind die gemischten Nationen stärker,
qualitativ tüchtiger als die unvermischten? Welches sind die Gren
zen und Stufen einer nützlichen Vermischung von Nationen und
Rassen? Die Nationen machen im Laufe der Zeit Wandlungen
durch: bis zu welchem Grade und wodurch? Ändern sie sich
körperlich (anatomisch) durch Kreuzung oder auch 1 durch die
Beschäftigung? Durch das Leben in den Städten? Durdi die
Nahrung? Vielleicht auch durch 1 endemische Krankheiten? Und
wie wirkt eine körperliche Wandlung, resp. eine Änderung des
Skelettes auf die geistigen Eigenschaften? Ändern sich die
geistigen Eigenschaften der Völker unabhängig von körperlichen
Eigenschaften und wodurch? Ändern sich diese Eigenschaften
(die Kapazität) von selbst oder entwickeln sie sich durch den Ein
fluß fremder geistiger Eigenschaften? Durch Übernahme fremder
Ideen, Gewohnheiten, Institutionen usw.? Es meldet sich das
schwierige Problem der Originalität der Nationen, der Selbständig
keit und Selbstgenügsamkeit eigener Kultur.
Solcher Art sind, in Kürze gesagt, die Probleme der
Nationalitätswissenschaft oder Nationalitätsphilosophie, welche
bisher noch nicht als selbständiges wissenschaftliches Fach streng
konstituiert ist, Fragen, mit denen sich die Historiker, Anthropo
logen, Ethnographen, Geographen, Gesch'ichtsphilosophen und 1
Soziologen befassen — der Umfang und die Tiefe dieser Studien
im 19. und in unserem Jahrhundert ist ein weiterer Beweis dafür,
daß die Nationalität ein allgemein anerkanntes Prinzip ist, wel
ches das ganze gesellschaftliche Leben durchdringt.
14. Sehr wichtig für das Verständnis und die Wertung des
Nationalitätsprinzips ist es, das Verhältnis der Nationalität zum
Staate zu bestimmen. Die Pangermanen stellen, obwohl sie sich
auf das Nationalitätsprinzip berufen, den Staat über die Na
tionalität; im Staate sehen sie den Gipfel der gesellschaftlichen
Organisation, die höchste und führende Macht, und sie wieder
holen öfters, das nationale Prinzip sei bereits überholt. Ähnlich
erklären andere die Kirche für die höchste Organisation, andere
wieder die Proletarierklasse. Ich glaube, es «ei richtig, die Nation