Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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( miert und als Menschen- und Bürgerrecht kodifiziert. Die An- 
| erkennung des Wertes der menschlichen Persönlichkeit fundiert 
auch die Wertung des Bürgers und das Recht der organisierten 
gesellschaftlichen Körperschaften — der Staaten, Kirchen, Na 
tionen, Parteien, Klassen usvv. und ihrer untergeordneten Be 
standteile ; dem widerspricht nicht, daß man diesen gesellschaft 
lichen Körperschaften auch Nützlichkeitswert zuerkennt — die 
Fähigkeit, gewisse Ziele für die Einzelindividuen und für die 
Kollektivitäten zu verwirklichen. 
Mit dem Augenblicke, da man die Berechtigung der mensch 
lichen Persönlichkeit, des Individuums anerkennt, anerkennt man 
auch die Berechtigung seiner Sprache (Muttersprache); das ist in 
einem Staate, der von einem einzigen Volke bewohnt ist, selbstver 
ständlich, aber in national gemischten Staaten pflegt die offizielle 
Anerkennung einer Sprache den Gegenstand nationaler Streitig 
keiten zu bilden, und die sprachlichen Rechte müssen ausdrücklich 
anerkannt und gesetzlich festgelegt werden. Deshalb werden 
da, wo sich die Demokratie befestigt, auch die nationalen Sprachen 
in der staatlichen Administration anerkannt; und dort, wo nach' 
mittelalterlicher Tradition das Lateinische und die Sprachen der 
herrschenden Klassen und Völker galten, (die hervorragende 
Stellung des Französischen), bedient man sich in der staatlichen 
Verwaltung allmählich auch der früher nicht angewendeten und 
unterdrückten Sprachen. Das gilt vor allem von national ge 
mischten Staaten, von Österreich und Rußland usw. x ) 
Die Sprache (Muttersprache) ist mit dem Denken und Fühlen 
und dem ganzen geistigen und kulturellen Leben des Einzelnen 
und der Völker innig verwachsen; in dem Maße, in dem sich die 
einzelnen europäischen Völker an der Kulturarbeit beteiligten, 
und je mehr sich diese Arbeit vervollkommnete, wurden diese 
Sprachen kulturell reicher und wertvoller, und es entwickelt sich 
die kulturelle Gleichberechtigung der Sprachen, die der politischen 
*) Damit erklärt es sich, weshalb Volksbewegungen, vor allem re 
volutionäre, stets die Entwicklung der Sprache der Massen begünstigt 
haben; — so wurden z. B. während der französischen Revolution wich 
tige staatliche Dokumente provengalisch herausgegeben; und es ist be 
kannt, wie die französische Revolution auf den literarischen Stil und 
auf die Rhetorik gewirkt hat. Der Gebrauch der verschiedenen Dialekte 
in der Literatur kann auch durch politische Volksbewegungen erklärt 
werden, usw. Es ist interessant, den Einfluß der russischen Revolution 
auf die verschiedenen kleinen Nationen Rußlands zu beobachten.
	        
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