Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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Holland, Serbien, Griechenland, Bulgarien, Norwegen, Albanien 
(die Schweiz wurde reorganisiert). Die anationalen Großmächte 
verfallen, die Türkei ging unter, gerade jetzt zerfällt auch das 
große gemischte Rußland und es werden aus ihm kleine und 
kleinere Staaten geboren, es stürzt auch das anationale Österreich- 
Ungarn zusammen. 
Die Geschichte lehrt also, daß die Entwicklung entschieden 
dem Entstehen kleiner und kleinerer Staaten günstig ist. Von 
den 27 Staaten in Europa können als groß nur Rußland, Deutsch 
land, Österreich-Ungarn, England, Frankreich, Italien bezeichnet 
werden — die übrigen, also die überwiegende Mehrheit, sind 
kleinere, teils mittlere (Spanien) teils kleine Staaten (Dänemark, 
Montenegro). Die Behauptung der Pangermanen und Marxisten 
ist ganz offenbar unrichtig. 
Ganz unrichtig ist es, den Imperialismus mit dem Kapitalis 
mus zu indentifizieren, wie es die Marxisten tun; die großen 
Reiche entstanden, bevor es den modernen Kapitalismus gab, und 
die imperialistischen und auf Eroberung von Ländern gerichteten 
Bestrebungen entspringen nicht bloß finanziellen und wirtschaft 
lichen Beweggründen. 1 ) 
17. D'er moderne Staat, welcher viel verwickeltere Aufgaben 
zu lösen hat, als der ältere Staat, braucht, um es kurz zu sagen, 
viel Geld; die Staatsbürger müssen neben ihrem häuslichen und 
privaten Bedarf einen beträchtlichen Teil ihrer Einkünfte und 
*) Was den Begriff des Imperialismus anbelangt, so möchte ich 
wenigstens auf folgendes aufmerksam machen: Imperium kann man im 
römischen und im mittelalterlichen Sinne auffassen. Das römische Im 
perium war das Ergebnis eines expansiven Militarismus; das mittel 
alterliche Imperium wurde ex thesi und im Anfänge auch in der Praxis 
auf geistiger Grundlage errichtet — das Kaisertum war theokratisch, 
Kirche und Staat waren eins. Später wurde das Kaisertum stärker als 
das Papsttum, und in der Neuzeit hat sich der Staat den ganzen alten 
Absolutismus zu eigen gemacht. Die Dynastien haben sich immer, und 
tun es noch jetzt, an die theokratische Grundlage geklammert. Österreich 
hat, nachdem es das mittelalterliche Imperium gebührend für sein Haus 
ausgenützt hatte, sich desselben begeben, Preußen hat es erneuert, Ruß 
land hat sich an die Idee des byzantinischen Imperiums gehalten. In 
der Praxis gehen alle diese Staaten nach altrömischem Muster vor — 
die materielle Herrschaft ist ihnen Mittel und Zweck. Das mittelalter 
liche Kaisertum mochte seine Daseinsberechtigung für eine gewisse Zeit 
haben, ein modernes Kaisertum ist eine Anomalie. 
Häufig verwendet man das Wort Imperialismus im Sinne einer 
mäßigen Föderalisation verschiedener Staaten (vgl. Absatz 14 über 
den neuen Staat und die Nationalität).
	        
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