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alterlichen Chronik), aber es ist fraglich, ob die wirtschaftlichen
Interessen in jedem und speziell in diesem Kriege das einzig
Entscheidende sind.
Die materialistische Weltanschauung hat die Marxisten in
diesem Kriege in eine kompromittierende Nachbarschaft mit den
Pangermanen gebracht; die Herren der deutschen Majorität
Lentsch, Renner (der Führer der deutsch-österreichischen So
zialisten u. a.) lassen sich von den Pangermanen recht schwer
unterscheiden. Ich wäre aber nicht gerecht, wenn ich nicht des
Autors von „J’accuse“ gedächte, der den Sachverhalt sehr frühe
durchschaut hat; jetzt unterziehen auch Kautsky und Bernstein
die Einseitigkeit der marxistischen Auffassung des Krieges mit
großem Erfolg einer Kritik. In Rußland wußte sich Plechanov
von den Schlagworten des einseitigen Bolschewismus fernzuhalten.
III.
Die osteuropäische Frage.
14.
Das Programm der Verbündeten wesentlich ein Programm
der Reorganisation Ost-Europas.
25. Alle europäischen Staaten wurden von der sozialen Frage
in Unruhe gehalten, aber das führte nicht zu ernsteren inter
nationalen Verwicklungen; dagegen hatten einzelne Staaten —
die national gemischten — akute nationale Kämpfe, und diese
trübten die zwischenstaatlichen Verhältnisse. Im Westen war
die dänische Frage in Schleswig und die elsaß-lothringische Frage
akut; die irische Frage ist keine nationale Frage (in dem Sinne
wie z. B. die polnische oder die tschecho-slowakische Frage) und die
Gegnerschaft der Flämen und Wallonen in Belgien war, wie der
Krieg gezeigt hat, auch nicht akut, denn die Flämen verteidigten
Belgien gegen Deutschland mit gleicher Entschlossenheit wie die
Wallonen, und ihre Wortführer haben sich gegen die Loslösung
von den Wallonen ausgesprochen. Hingegen hat es im Osten
eine ganze Reihe von mehr oder weniger akuten nationalen