66
gegeben: es wurde von Rußland zweimal geschlagen, es wurde
auch von dem kleinen, verachteten Serbien geschlagen, nur
Deutschland hat es vor dem Untergang bewahrt; der Krieg hat
die ganze Unfähigkeit und völlige Verkommenheit der führenden
Erzherzoge und Aristokraten aufgedeckt, und es zeugt hiervon auch
das nun einberufene Parlament. In einer so furchtbaren, in einer
so bedeutsamen Zeit finden der neue Kaiser und seine Ratgeber
kein einziges männliches Wort — lauter Phrasen und die ge
wohnte dumme Gescheitheit und Verschlagenheit; Kaiser Karl
unterliegt schon jetzt samt der Kaiserin der klerikalen Füh
rung — ohne Erfahrung, jeder politischen Idee bar, ohne
Willen zur modernen Politik stützt er sich natürlich auf die alte
und einzige Idee seiner Dynastie. In der Briefaffäre des Prinzen
Sixtus zeigte Kaiser Karl aufs Neue, was die Grundlage öster
reichischer Politik ist — die Lüge. —*)
Der wahre Stand der Dinge hat sich in diesem Kriege gezeigt.
DieTschechoslowaken, Jugoslaven, Rumänen, Italiener, bald darauf
auch die Kleinrussen und Polen, kündigten den Gehorsam und
stellten sich Österreich entgegen — 60.000 Hinrichtungen (die
Zahl gibt Abgeordneter Daszynski an) und die Hilfe Deutschlands
hielten die Habsburger eine Zeitlang über dem Wasser. Auch die
Magyaren sind gegen Österreich, und unter den Deutschen gab
es auch radikale Pangermanen, welche den Anschluß Österreichs
an Deutschland verlangten. Wenn sich diese Pangermanen jetzt
im Kriege mit Österreich versöhnt haben, so nur deshalb, weil
Österreich sklavisch die ihm von Bismarck und Lagarde auf
!) Kaiser Karl schrieb an den Präsidenten der französischen Re
publik offenbar in der Hoffnung, daß die Franzosen seine und seiner
Ratgeber Schlauheit nicht durchschauen würden; seinen eigentlichen Plan
stellte er in dem zweiten Briefe an König Ferdinand von Rumänien
dar: hier betonte er das Prinzip, die Könige müßten jetzt Zusammen
halten, um den Monarchismus gegen die demokratische Bewegung zu
retten.
Diese Grundsätze stehen bis aufs Wort damit in Einklang, worum
sich nach Bismarcks Rücktritt Kaiser Wilhelm bemüht; und Wilhelms
Grundsätze eignete sich der Freund und Berater Karls, Graf Czernin,
an. (Ich habe über ein Memorandum des Grafen Czernin, das für Franz
Ferdinand verfaßt wurde, Bericht erstattet; es ist darin der Plan Wil
helms des näheren dargelegt, den Monarchismus zu erhalten und einen
engen Zusammenschluß der Monarchen zu bewirken; in demselben Me
morandum ist zugleich der deutsche Charakter Österreich-Ungarns und
seine Freundschaft mit Deutschland betont. Siehe in Plechanovs Je-
dinstvo v. 9. Juni 1917.)