Full text: Das neue Europa: der slavische Standpunkt

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wußtsein gebracht (die Italiener stehen längst zu Österreich im 
Gegensatz) und darum wenden sie sich mit so großem Nachdruck 
gegen den preußischen Militarismus. 
Der preußische Militarismus gibt uns Veranlassung, die preu 
ßische Frage des Näheren zu analysieren. In Deutschland selbst 
wird diese Frage gewöhnlich enger aufgefaßt, daß Preußen po 
litisch rückständig, rückständiger als das übrige Deutschland sei, 
daß daher der preußische Landtag demokratischer werden müsse; 
und man gibt einen wirtschaftlichen und politischen Gegensatz 
zwischen dem westlichen und östlichen Deutschland zu (die preu 
ßischen Junker und ihr Großgrundbesitz im Osten und dergl.) 
Aber es besteht ein tieferes und weiterreichendes preußisches 
Problem — das Problem, welches die Pangermanen und ihre 
Philosophen Lagarde, von Hartmann und andere formuliert haben, 
das Problem des Unterschiedes zwischen preußischem und süd 
deutschem Geiste, das Problem der Berechtigung Preußens, 
Deutschland zu führen und Deutschland geradezu zu verpreußen. 
Dieser Gegensatz wird häufig in dem Schlagwort zusammen 
gefaßt: Goethe oder Bismarck? Weimar oder Potsdam? Und 
es wird gewöhnlich geantwortet, der Gegensatz bestehe wirklich, 
aber er sei unwesentlich und soweit er existiere, trage er zur 
reicheren Ausgestaltung der deutschen Kultur bei; gerade wäh 
rend des Krieges unterziehen sich mehrere österreichische und 
preußische Schriftsteller einer Gewissensbeichte und sie kommen 
zu dem Schlüsse, daß das preußische Deutschtum neben dem 
österreichischen (allgemeiner gesagt, dem süddeutschen) berechtigt 
sei und man weist auf die Möglichkeit und Notwendigkeit einer 
organischen Synthese beider Richtungen des deutschen National 
geistes hin. 
Es ist nicht angenehm, über eine so verwickelte Materie ein 
kurzes Urteil, ohne weitere Begründung, abzugeben. Ich ver 
weise auf meine früheren Äußerungen über den Gegenstand und 
bringe hier mit gebührender Reserve meine Ansicht vor, eine 
Ansicht, von der ich meine, daß sie sachlich sei. 
Mit dem Rassenproblem und seiner Analyse will ich mich 
nicht befassen — inwieweit nämlich die heutigen Preußen und 
in welchem Maße sie Eigenschaften der nichtdeutschen Preußen 
besitzen, von denen uns die deutschen Historiker berichten, daß 
sie tapfer und grausam waren. Es soll hier auch nicht untersucht 
werden, wieviel slavisches Blut in den Adern der heutigen
	        
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