Deutschtum und Engländertum I
(t88Z)
Als der Große Kurfürst den Grund zum preußisch-deutschen Heerwesen
legte, schuf Oliver Cromwell die Grundlage für die englisch-bn'tische See
macht. Als unter Friedrich Wilhelm I. die preußische Verwaltung mit jenem
eigenartigen Beamtentum ihre scharfe Herausprägung erhielt, gewann in
England mit der Thronfolge des Hauses Hannover der parlamentarische
Konstitutionalismus seine endgültige Gestaltung. Als der Große König im
Siebenjährigen Kriege um die Großmachtstellung Preußens auf dem Kon
tinent kämpfte, rang an seiner Seite und im Bunde mit ihm England,
unter dem älteren Pitt, um die Herrschaft auf den Meeren. In den Ruhm
der Schlacht von Belle-Alliance teilen sich Preußen und England.
Treten somit die beiden Staatswesen an den entscheidenden Wende
punkten ihrer Entwicklung Hand in Hand vor die Geschichte, so sind im
19. Jahrhundert die Berührungen der beiden Nationalitäten selbst ganz
allgemeine und sehr eigentümliche geworden. Heute, über die ganze Erde
hin, erscheinen Deutschtum und Engländertum gemeinsam. In China wie
in Australien, in Bombay wie in Buenos Aireö finden wir den deutschen
Kolonisten neben dem englischen, und in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika können wir das interessante Schauspiel der Vermischung
beider beobachten — freilich mit einem starken Zusatz von andersartigen
Elementen.
Es ist klar, daß ein solches Brust-an-Brust-Stehen zweier Völker von
zweifacher Folge sein kann: es kann sein, daß es zu einem harmonischen
Ausgleich, es kann aber auch sein, daß es zu einer nur um so entschiedeneren
Herausprägung ihrer Gegensätzlichkeit führt. Wie dem auch sein mag,
ledenfalls ist es immer von hohem Interesse, die charakteristische Eigenart
beider einmal möglichst scharf zu erfassen und deutlich voneinander ab
zuheben. Und zwar wird dies interessanter heute, als es gestern war, und es
wird morgen interessanter sein, als es heute ist. Denn wenn nicht alles
täuscht, so stehen wir augenblicklich vor einem Ausblick auf jahrhunderte
lange Entwicklungen, in welchen immer deutlicher diese beiden Haupt-
sertreter der germanischen Rasse auf dem Schauplatz des geschichtlichen
Gebens in den Vordergrund treten werden, und wenn Darwin recht hätte,
so würde vielleicht einmal eine Zeit denkbar sein, in der sie die alleinigen