Nationalismus und Kosmopolitismus
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in Europa zurück. An seine Stelle traten die Westmächte, national durch
und durch, welchen damit auch die neuentdeckten Länder jenseits der Welt
meere und hiermit ein anscheinend unnachholbarer Vorsprung im Kon
kurrenzkampf der Völker überhaupt zuteil ward. Der nationale Gedanke
triumphierte voll und ganz über den universalen. Charakteristisch ist, daß
Richelieu, Cromwell und Wallenstein fast gleichzeitig auf dem Schauplatz
der Geschichte auftraten, und charakteristisch ist auch die verschiedenartige
Wendung in den Geschicken der drei Nationen, wie sie gewissermaßen
geradezu von ihren drei Individualitäten ihren Ausgangspunkt nahm.
Während die Westmächte emporblühten und nun gegenseitig den Kampf
um die Weltherrschaft, aber eine Weltherrschaft auf nationaler Grundlage
aufnahmen, sank Deutschland mehr und mehr in eine geradezu verächtliche
Schwäche hinab. Es sank, bis auch hier, später als bei den Nachbarn, der
nationale Gedanke in die Wirklichkeit trat und sich allmählich empor
arbeitete. Diese Realisierung in Deutschland hat sich vollzogen in der nüch
ternen und harten Staatsschöpfung der Hohenzollern, welche von ihrem
ersten Ausgangspunkt an national war und in ihrem gesamten Aufbau
Schritt für Schritt mit dem alten kosmopolitisch angehauchten Deutschland
um ihre Existenz auf Leben und Tod zu kämpfen hatte. Die Entscheidung
zwischen beiden Richtungen ist auf einer Reihe von Schlachtfeldern gefallen,
vom Tage von Fehrbellin an durch Roßbach, Leuthen, Leipzig, Waterloo
hindurch bis nach Königgrätz und Sedan hin.
Erst unsere Generation sollte die volle Durchführung des nationalen
Gedankens, die Schaffung des nationalen deutschen Einheitsstaates er
leben, und erst die harte und geniale Politik des Fürsten Bismarck hat
unser Volk in seiner inneren Entwicklung dahin gebracht, wo Richelieu und
Cromwell ihre Nationen verließen.
Wenn man sich dies vergegenwärtigt, so wird man die Tatsache, daß
auch heute der nationale Geist unser Volk in seinen breiten Schichten noch
so wenig intensiv durchdringt, wie sehr man sie beklagen mag, so doch ver
stehen. Überall auf allen Seiten stoßen wir noch auf Rudimente jener an
tiquierten kosmopolitischen Anschauungsweise, welche sich in einer Welt,
die doch nun einmal vom Nationalismus beherrscht wird, nach außen hin
als Schwächlichkeit geltend machen und unser Volk gegenüber Fremden
alle Haltung und Selbstachtung nehmen muß. Überall findet noch ein
stiller, darum doch nicht weniger zäher Widerstand statt gegen den neuen
nationalstolzen Geist, wie ihn besonders der Name des Fürsten Bismarck