Full text: Gesammelte Schriften (3)

charakterisiert, welcher in dieser Richtung tatsächlich mit Richelieu und 
Cromwell zu vergleichen ist. Auf allen Punkten aber ist das Vordringen 
des nationalen Gedankens auch in Deutschland zu konstatieren, jenes Ge 
dankens, welcher uns zunächst die Wiederaufrichtung unserer Machtstellung 
auf dem Kontinente von Europa eingebracht hat, und welcher hernach 
konsequentermaßen sofort dazu führte, auch in die alte Völkerkonkurrenz 
um die Herrschaft über die Erde und den Besitz ihrer Güter deutscherseits 
energisch mit einzutreten*. 
* Den Zusammenhang zwischen überseeischer Eroberungspolitik und den wirtschaft 
lichen Bedürfnissen der Völker hat mein Freund Carl von der Heydt in einer kleinen 
geistreichen Studie über „Kolonialpolitik und Sozialismus" dargelegt, aus welcher ich 
als bezeichnend nur die folgende Ausführung hier mitteile: 
„In dem Bestreben aber, Deutschland in dem wirtschaftlichen Wettstreit der 
Nationen das Übergewicht zuzuwenden, liegt der Punkt, wo die Wege der beiden Prin 
zipien, Kolonialpolitik und Sozialismus, die wir betrachten wollen, sich begegnen. 
Denn auch die Kolonialpolitik will nichts Anderes, als die Kraftsteigerung und Lebens- 
bcreicherung der stärkeren, besseren Rasse, auf Kosten der schwächeren, geringeren, die 
Ausbeutung der nutzlos aufgespeicherten Reichtümer dieser im Dienste des Kultur- 
fortschrittes jener. 
Es ist ein Irrtum, der gerade dem Deutschen naheliegt und der deshalb um so un 
zweideutiger zurückgewiesen werden muß, wenn man meint, die Kolonialpolitik bezweck 
allein die moralische und materielle Hebung fremder Volksstämme. 
Sie soll weitblickend genug sein, um sich diese Aufgabe als ein hervorragendes 
Mittel zum Zweck zu stellen. Dieser ist und bleibt aber schließlich die rücksichtslose und 
entschlossene Bereicherung des eigenen Volkes auf anderer schwächerer Völker Unkosten. 
So natürlich auch diese nationale Selbstsucht, so darf sie doch gerade in unserem 
Vaterlande nicht von vornherein auf Verständnis und Billigung rechnen, da der Gang 
unsrer geschichtlichen Entwicklung der Heranbildung eines derartigen Prinzips wenig 
günstig gewesen ist. 
Der deutsche Volksgeist steht mit einer gewissen vornehmen Abneigung einem Stand 
punkte gegenüber, der ihm eng und einseitig erscheint, dessen innere Kraft und natio 
nale Notwendigkeit er hingegen Übersicht. 
Dem Sozialismus ist es vorbehalten, der Einsicht in diese Notwendigkeit breite 
Bahn zu brechen; dem Kolonialismus mag es obliegen, zu dem, was eine nationale 
Selbstsucht wollen muß, den rechten Weg zu zeigen, und beide Ideen mögen vereint eine 
neue gewaltige Aera für unser Vaterland heraufführen und alle Kräfte unseres Volkes 
zusammenfassen zu einem Titanenringen um die Beherrschung des Erdballes. 
Wclthcrrschaftsträume hat wohl jedes Volk einmal geträumt, und viele Völker 
haben Zeiten gesehen, in denen ihr Machtbereich sich mit den damals bekannten Grenzen 
des Erdkreises nahezu deckte. 
Aber nur zwei Nationen sind auf der Bühne der Geschichte aufgetreten, deren 
ganze Kraft bewußt und erfolgreich sich dem Endziele zugewandt hat, sich den Erd 
kreis und seine Reichtümer, seine materiellen und geistigen Kräfte dienstbar zu machen, 
zur Erhöhung der eigenen Wohlfahrt, zur Hebung der eigenen Lebensbedingungen.
	        
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