Das Deutschtum als Rasse
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Daö ist nicht mehr das Deutschtum der Goethe nnd Kant, es ist die
neue, die „junge" Rasse, welche aber die Gedankenarbeit ihrer Väter als
geistigen Inhalt ihrer Kultur unmittelbar übernimmt. Wie sich diese alt
deutsche Stammeskultur, gepfropft auf den festen Stamm der preußischen
Staatszucht, in der werdenden deutschnationalen Rasse der Zukunft um
bilden wird, läßt sich heute nur andeuten. Eines ist klar und für jedermann
ersichtlich, daß daö „Volk der Denker und Dichter" in der neuen Mischung
sehr praktisch zu werden beginnt. Es stellt seine starke Verstandeskraft,
die den deutschen Vorfahren im wesentlichen das Mittel für theoretische
Spekulationen und Träumereien war, mehr und mehr in den Dienst deö
„Lebenswillens"; und somit sehen denn die Fremden zu ihrer nicht gerade
angenehmen Überraschung, daß die deutschen „Pedanten" inehr und mehr
die Führung auf allen Gebieten der praktischen Betätigung nehmen in In
dustrie und Erfindungen, in Handel, Schiffahrt und Gewerbe.
Zu den alten deutschen Tugenden des Fleißes und der Gründlichkeit
bringt die preußische Staatszucht Ordnungsliebe, Disziplin, straffe Pünkt
lichkeit hinzu, und diese Verbindung von nützlichen Eigenschaften liefert
unseren Industrien, unserem Handel und unseren Reedereien jenes un
übertreffliche Menschenmaterial, mit welchem sie den Wettkampf gegen
die ganze übrige Welt aufzunehmen vermöge,:.
Wenn somit daö moderne Deutschtum nüchterner und praktischer als
die vorangegangenen Generationen zu werden begonnen hat und sicherlich
verbleiben wird, so brauchen die wesentlich deutschen Tugenden unserer
großen klassischen Periode darüber nicht verlorenzugehen: ich 'meine den
ernsten Drang nach Wahrheit auch in Dingen, welche einstweilen jenseits
der Grenzen des Nützlichen liegen, die Lust am objektiven Forschen, die
Freude am heiteren Spiel der Phantasie, den derben und gesunden Lebens
genuß. Mir ist kennzeichnend für die heraufziehende Kulturepoche die
Rückkehr zum Stil und selbst zum Manierismus unserer mittelalterlichen
Kunst, das Interesse an historischen Festspielen und Aufzügen aller Art,
ja das Zurückpendeln zum heidnischen Germanentum, wie cs zum Beispiel
in den Wodanösäulen zu Ehren Bismarcks sich kundgibt. Es ist sicherlich
keine Gefahr vorhanden, daß der alte ideale Inhalt deutschen Denkens in
der „technischen" Epoche, welche begonnen hat, als unnützer Ballast gleich
mütig über Bord geworfen werden wird. In all diesen Seiten deö deut
schen Kulturlebens wird allerdings der Kaiser anregend und fördernd ein
zugreifen vermögen.