Full text: Gesammelte Schriften (3)

Der Friede Zwischen Japan und Rußlands 
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Daß solcher mit im Spiel gewesen ist, steht außer Frage. Die merk 
würdige Rührigkeit des Präsidenten Roosevelt wird von derselben Presse, 
welche heut die „Großmut" der Japaner preist, auf rein humanitäre Emp 
findungen zurückgeführt. „Der gute, edle Mann!" Ich bezweifle gar nicht, 
daß Roosevelt ein guter und anständiger Mann ist, aber in seinen Be 
mühungen um den Frieden im Fernen Osten handelte er nicht als Privat 
mann, sondern als Präsident der Vereinigten Staaten und als Vertreter 
der nordamerikanischen Interessen. Ebensowenig wie der Mikado aus Edel 
mut 120 Mill. L an Rußland geschenkt hat, ebensowenig konnte der Präsi 
dent der Union auö Humanität die Interessen seiner Nation verletzen. Der 
Friede in Ostasien liegt also im Interesse der Vereinigten Staaten, die 
Macht, welche ihrerseits hofft, den Stillen Ozean zu einem amerikanischen 
Meer zu machen, konnte naturgemäß nicht wünschen, daß am gegen 
überliegenden Gestade eine einzige Macht absolut vorherrschend werde, 
sondern mußte bestrebt sein, eine gewisse Balance dort festzuhalten. Wenn 
es im amerikanischen Interesse gewesen war, daß Japan die drohende 
Hegemonie Rußlands in China und entlang der Westseite des Pazifik brach, 
so erheischte dieses Interesse sicherlich nicht, daß Japan sich nun dafür 
seinerseits als alleinige Vormacht dort etablierte. Das Verschwinden des 
russischen Doppeladlers auch aus Wladiwostok und vom Amur widersprach 
direkt den eigenen nordamerikanischen Plänen. 
Neben den Vereinigten Staaten hat Großbritannien auf die Staats 
männer von Tokio im Sinne des schnellen Friedensabschlusses eingewirkt. 
Hier ist der kausale Zusammenhang sehr viel durchsichtiger. Die „Times" 
sprach ihn offen auö vor einigen Tagen. Großbritannien genau wie Nord 
amerika hatte alles Interesse daran, die hegemonistischen Gelüste Ruß 
lands im Fernen Osten zu brechen. Aber es wünschte Rußland nicht im 
europäischen Gleichgewicht zu sehr geschwächt. Als asiatische Großmacht 
war ihm die Demütigung Rußlands höchst willkommen, als europäische 
Großmacht bedarf es des russischen Faktors als Gegengewicht gegen das 
Deutsche Reich. Zn Asien schien Rußland gedemütigt genug, insbesondere 
seit seine pazifische und seine baltischen Flotten zerstört waren; und das 
Schutz- und Trutzbündniö mit Japan, welches dieser Tage perfekt geworden 
zu sein scheint, garantiert die britischen Besitzungen in Asien gegen einen 
einseitigen russischen Angriff. Wenn die russischen Staatsmänner befürchten 
müssen, am Khyber-Paß^ oder am Hindu-Kusch^ ihren Freunden von Liao- 1 
1 Anderer Name für Chaiber, Paß über den gleichnamigen Gebirgsstock an der afgha 
nisch-indischen Grenze. 2 Hohes Gebirge an der Nordwest grenze Indiens.
	        
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