Das Britisch« Reich und seine Flotte
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decken zuzuschieben. Das wäre eine schwache und in der Tat sehr gefähr
liche Politik gewesen: die Position von Malta nach Gibraltar zu verlegen,
um sie näher den heimischen Gewässern zu haben. Die „Times" weist
darauf hin, welch einen moralischen Eindruck ein solcher Rückzug auf die
Welt des Nahen und des Fernen Ostens gemacht haben würde, ins
besondere auf Ostindien.
Ich kann mir nicht denken, daß Lord Kitchener diesen Plan gutgeheißen
haben kann. Voriges Jahr war umgekehrt die Rede davon, die Malta
station statt rückwärts nach dem Westen, weiter vorwärts nach der Levante,
nämlich nach Alexandrien, zu verlegen. Das war sicherlich, wenn auch
kühner, doch staatsmännisch richtiger. Gleichzeitig plante man eine erheb
liche Verstärkung des britischen Besetzungsheeres von Ägypten. Das war
gesunde Politik. Schon Napoleon I. hatte erkannt, daß der Herr im Nil
tal Herr über Ostindien sein werde. Es hatte der Schlachten am Nil und
von Trafalgar bedurft, um diesen Traum napoleonischer Weltherrschaft
vom Nil aus zu zerhämmern, und seitdem haben die Briten diesen gigan
tischen Plan aufgenommen und durchgeführt.
Es wäre ein schwächliches Ende für ein stolzes Jahrhundert, wenn sie
sich 1912 vom Mittelmeer zurückziehen wollten, und gerade zu einer Zeit,
wo Italiener und Türken um die Levante kämpfen und um die westlichen
Grenzländer des Niltals. So bleibt denn nur die entgegengesetzte Politik
übrig: die Mittelmeerstellung zu verstärken und die britischen Flotten weiter
zu vermehren. Daß dies die Stimmungen im englischen Volk friedlicher
machen könnte, wird niemand erwarten. Immer tiefer schneidet die Steuer
schraube ein, und immer größer wird die Unzufriedenheit der breiten
Klassen. Die Einführung der deutschen Arbeiter-Unfallversicherung in
dieses so ganz anders geartete Volkstum regt die Massen bis in ihre Tiefen
auf und bedroht die liberale Regierung mit nahe bevorstehendem Sturz.
Ihre irische Politik, ihre Streikpolitik, altes deutet aufs Ende. Überall
Sackgassen, in welche sie mit großen Redensarten und Phrasen hinein
geschritten sind und aus denen sie nicht wieder hinaus können. Das liberale
Zwischenspiel geht auf die Neige, und die Welt kann von neuem mit einem
konservativen England rechnen.
Die äußere Politik in ihren allgemeinen Grundzügen wird dadurch keine
Abänderung erleiden; aber wir werden darauf rechnen dürfen, daß das
britische Ansehen auf der ganzen Erde wieder entschiedener in die Waag
schale geworfen werden wird.