Full text: Gesammelte Schriften (3)

1 Ohne Einschränkung, schlechthin. 
„Entente cordiale“ den internationalen Rückhalt anbahnte, welcher 1870 
fehlte, seitdem dazu die anglo-russische Annäherung kam, welche die Aus 
sicht auf das Schutz- und Trutzbündnis der Westmächte mit dem Slawen 
reich deö Ostens eröffnete, seit dazu der Ausgleich zwischen Rußland und 
Japan eingetreten ist, welcher den Schwerpunkt des Jarenstaates wieder 
gegen den westlichen Nachbar zu kehren erlaubt, tritt mit einem Male in 
greifbare Nähe, was bis dahin mehr oder weniger als patriotische Wahn 
vorstellung erscheinen mußte. Ich kenne die russischen Strömungen und 
Gegenströmungen nicht genau, und es ist mir sehr wohl bekannt, daß 
zwischen Petersburg und Berlin gemeinsame dynastische Interessen be 
stehen. Aber heutzutage treten die dynastischen Interessen zurück vor den 
völkischen Gegensätzen und Instinkten. Und da steht die Tatsache wohl fest, 
daß der Slawe im Deutschen seinen „Erbfeind" erkennt, im Franzosen 
aber den „sympathischen", liebenswürdigen Freund. Für die Osteuropäer 
ist Frankreich noch immer das Kulturland 8an8 phrase 1 , Paris die 
„charmante" Hauptstadt der Welt. Der Deutsche bleibt der unangenehme 
Mitbewerber und der tölpelhafte, unlicbenswürdige Patron. Dazu kommt, 
daß die germanische Ausbreitung donauabwärts den Petersburger Staats 
männern seit Jahrzehnten Beklemmungen verursacht hat. Die Rolle 
„Väterchens" in den Donaustaaten, die überkommene Politik des so 
genannten „Testaments Peters des Großen" finden ihren Hauptwider 
stand schon lange nicht mehr an der Themse oder an der Seine wie 185b 
und noch 1877, sondern im österreichischen Wettbewerb an der Donau und 
den deutschen Bestrebungen in Kleinasien. Die Beziehungen zwischen Buka 
rest und Berlin muß man in Petersburg als direkte Bedrohung auffassen. 
Außerdem würde ein siegreicher Krieg mit dem Deutschen Reich den Russen 
die alte bequeme Handlungsfreiheit in den baltischen Ländern zurückgeben, 
wie Konstantin und Nikolaus sic ausübten. Wie oft mag man wohl in 
Petersburg die Duldung von 1866 und 1870 bereut haben, welche Bis 
marck sich gewann und welche zur Aufrichtung des Deutschen Reiches 
führte! 
Es ist angebracht, sich solche Empfindungen und Neigungen völlig klar 
zumachen, wenn man Rußland als Faktor in der heraufziehenden Kombi 
nation richtig einschätzen will. Es ist keineswegs der Fall, daß zwischen 
Rußland und Deutschland keinerlei Reibungsflächen und Interessengegen 
sätze beständen, und wenn cs noch so oft ausgesprochen wird. Worauf
	        
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