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Aufsätze
1 ,, Unbeachtliche Größen u .
„Minen und Gegenminen" der heutigen großen Politik mitwirken. Das
Schlimmste, was wir tun könnten, wäre, gegenüber augenscheinlichen Ent
wicklungen eine Vogel-Strauß-Politik treiben zu wollen. Zum Beispiel
ändert Deutschland nicht das Geringste an den Ergebnissen der Reise
M. Poincares nach Petersburg und Moskau dadurch, daß es, den Zweck
seiner Reise übersehend, ihm seine Begrüßung bei der Hin- oder Rückreise
geradezu aufdrängte. Das erscheint beim Ausland höchstens als Beweis
von Schwäche, während die deutsche Politik sich heute mehr als je auf
Dantons Devise besinnen sollte: „Das, was uns not tut, ist Wagemut
und noch einmal Wagemut und immerfort Wagemut." Mit solcher Ge
sinnung bestand das revolutionäre Frankreich den Anprall des vereinten
Europa. Es war derselbe Geist, welcher Friedrich den Großen in den
Siebenjährigen Krieg trieb. Das Germanentum in Waffen und von einer
kühnen Initiative geführt, wird eine gar harte Nuß bleiben auch für eine
noch so mächtige Verbindung. In dieser Tatsache und solcher Gesinnung
liegt unsere Rettung und die Zukunft unserer Art.
Auf der anderen Seite wäre es ein großer Fehler, die gegenüberstehenden
Faktoren zu unterschätzen, wozu mir in Deutschland eine gewisse Geneigt
heit zu bestehen scheint. Das ist freilich immerhin besser als die Neigung
früherer Zeiten, das Ausland zu überschätzen. Am besten ist es stets, die
Gegner nüchtern einzuschätzen, genau als das, was sie sind, wie dies den
stolzen preußischen Überlieferungen entspricht. Und da würden wir uns
irren, wenn wir die Westmächte als tzuantitss negligeables 1 betrachteten.
Die französische Armee ist seit Napoleon I. niemals schlagfertiger und
kriegstüchtiger gewesen als heute. Trotz des Antimilitarismus, der übrigens
im Abebben begriffen ist, ist der Geist der Truppen zur Zeit ein vorzüg
licher, die Ausrüstung und Ausbildung wird von keiner Armee der Welt
übertrosfen. Die Briten aber sind noch immer von der ehemaligen
Zähigkeit erfüllt, welche sie befähigte, ein Vierteljahrhundert lang die Er
oberungspolitik Napoleons zu bekämpfen; und noch immer beseelt sie
der Wagemut, welcher das Weltreich über alle Ozeane und Festländer
hin geschaffen hat. Über diese Tatsachen dürfen wir uns nicht täuschen,
wenn wir uns vorbereiten, den Kampf gegen die vereinigten Westmächte
aufzunehmen.