V. Thätigkeit des Lehrlings.
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V. Die unter 3 (S. 74) angeführten Merkmale der Arbeit als mög-
lichen Gegenstandes des Arbeitsvertrags enthalten eine Schranke, die
zur Verdeutlichung dieses Arbeitsbegriffs besonders hervorgehoben
werden muß. Zwar braucht; wie sich schon gezeigt hat, die Thätig-
keit, um Arbeit zu sein, nicht Ausübung eines Berufs zu sein, weder
des Haupt- noch des Nebenberufs, indem auch ein Berufsloser Arbeit
leisten, und jemand als Dilettant, oder zu seiner Erholung Arbeit
verrichten kann. Hingegen die Thätigkeit, welche nur Vorbereitung
auf einen Beruf überhaupt, oder auf einen bestimmten Beruf ist, ent-
behrt als solche präparatorische Thätigkeit in den meisten Fällen der
Merkmale, dafs sie das Bedürfnis eines anderen zu befriedigen ver-
mag und irgendwo entgolten wird. Darum ist sie trotz des Ernstes
und der Mühe, mit der sie betrieben wird, der Aufnahme in einen
Arbeitsvertrag entrückt und daher juristisch nicht für Arbeit zu halten,
wie sehr sie der Thätige selber und seine Lehrer, sie von seinen
anderen Beschäftigungen unterscheidend, als Arbeit bezeichnen mögen.
Schulknabe und Schulmädchen, Student und Kunstjünger sind als
solche in der Regel mit Thätigkeiten beschäftigt, die sich nicht zur
Befriedigung fremder Bedürfnisse eignen und aufserhalb der Entgelts-
sphäre liegen. Im Lehrverhältnis als Arbeitsverhältnis ist es
regelmäfsig der Lehrer und nur dieser, der Arbeit im Rechtssinn
leistet, der für die Arbeit des Lehrens Arbeitnehmer ist, während die
veceptive, nachahmende oder nachschaffende Thätigkeit des Schülers
3icht selbst Arbeit im Rechtssinn, sondern Voraussetzung oder Er-
zeugnis der Arbeit des Lehrers ist. Allein in Handel und Industrie
finden wir diese ursprüngliche und normale Gestalt des
Lehrverhältnisses (das eigentliche Lehrverhältnis) zwar nicht in
allen, aber in unzähligen Fällen verändert‘, Es gilt hier die Thätig-
keit des Lehrlings, sei es von Anfang oder nach kurzer Frist, als
Beendigung des Unterrichts, von nachmittags 3 Uhr bis gegen 9 Uhr abends
mitarbeiten.“ Die dort fast ausschliefslich hausindustrielle Arbeit der Kinder
dauert z. B. in 8 Schulgemeinden bis 10 Uhr, in 13 Gemeinden bis 11 Uhr,
ın 8 Gemeinden bis 12 Uhr nachts. Vierteljahrshefte z. Statistik a. a. 0. S. 10.
‘ Für den Handel s. z. B. Adler, Lage der Handlungsgehülfen (1900)
5. 55. 56. 141. 142; für das Gewerbe s, z. B. Kommission für Arbeiterstatistik,
Verhandlungen Nr. 11 S. 20. 27—29. Verhandlungen Nr. 18 S, 22 (nur in 2,6%
ler von der Kommission befragten, mit Lehrlingen versehenen Gastwirts-
betriebe wird Lehrgeld bezahlt). Bericht der württembergischen Fabrik-
inspektion für 1898 S. 10 („gewöhnlich wird in solchen Lehrlingsabteilungen
in Fabriken kein Lehrgeld bezahlt; der junge Mann erhält für seine Arbeits-
thätigkeit noch einen Lohn“).