X. Rechtswidrige und moralwidrige Arbeit, 111
ganze Arbeitzusage nichtig zu sein; die Nichtigkeit kann auch nur
einen Teil jener Zusage treffen!, und dann braucht nicht der ganze
Arbeitsvertrag nichtig zu sein, indem hier leicht die Annahme statt-
haft ist, der Arbeitsvertrag würde auch ohne den nichtigen Teil der
Arbeitszusage abgeschlossen worden sein. In einem solchen Falle
wird die Entgeltzusage von der partiellen Nichtigkeit der Arbeit-
zusage beeinflufst, indem der Umfang des Entgeltes herabgesetzt wird,
Als gegen ein gesetzliches Verbot verstofsend und darum rechts-
widrig ist nicht blofs diejenige Arbeit anzusehen, die einem Gesetz im
staatsrechtlichen Sinn widerstreitet, sondern auch diejenige, welche
ein Gebot oder Verbot verletzt, das von einer öffentlichen Gewalt
innerhalb ihrer Kompetenz erlassen worden ist, namentlich vom
Bundesrat oder von einer Verwaltungsbehörde eines Bundesstaates ®.
Wo Gesetze und dergleichen eine Arbeit, oder, wie es gewöhnlich
heißt, eine gewisse Beschäftigung oder Verwendung bestimmter Per-
sonen verbieten — indem sie Befehl und Strafsanktion an denjenigen
richten, der die Arbeit veranlaflst oder zulälst — ist es den Gesetzen
bloß um die Hintanhaltung der Thätigkeit, dieses faktischen Vorzanges
zu thun, während sie auf die privatrechtliche Seite, nämlich dafs die
Thätigkeit gegen Entgelt zugesagt und diese Zusage ungültig ist, fast
keine Rücksicht nehmen. Eine privatrechtliche Untersuchung wie die
vorliegende hat sich‘ dagegen nur um die privatrechtliche Seite zu
kümmern, ‚ohne sich darum verhehlen zu müssen, dafs der sie an-
gehende Thatbestand enger ist als der, welchen die Gesetze im Auge
haben; diese gelten nämlich auch, wo die Eingehung eines Arbeits-
vertrags nicht versucht, z. B. kein Entgelt versprochen worden ist,
oder wo ein Arbeitsvertrag mangels gesetzlicher Vertretung der ge-
schäftsunfähigen Partei nicht zustande kommen kann.
Von der nachfolgenden Distinktion der rechtswidrigen Arbeit, die
zur Erläuterung der These und zur Gewinnung einer Übersicht unter-
nommen wird, ist selbstverständlich diejenige menschliche Thätigkeit
ausgeschlossen, welche gar nicht als Arbeit angesprochen werden kann,
! z. B. es ist Arbeit über ein gesetzlich zulässiges Mafs hinaus zugesagt.
? z. B. Polizeiverordnungen zur Einschränkung der gewerblichen Arbeit
von Schulkindern in der schulfreien Zeit (wie Austragen von Backwerk,
Milch oder Zeitungen, Kegelaufstellen, Aufwarten, Blumenhandel, gewerbliche
Produktion) bei Agahd in Archiv für sociale Gesetzgebung XII, 420. 421
und Gewerbegericht V, 68; ferner die Verfügung der anhaltischen Regierung
gegen den Mifsbrauch von Kindern in der Landwirtschaft bei Agahd 1. c.
S. 423. Sociale Praxis IX, 278. X, 224. 1199. Hierher auch Landesbehördliche
Arbeiterschutzvorschriften, zusammengestellt im Reichsamt des Innern
(Berlin 1897.