Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

XII Moralwidrige Arbeit, 
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Es kann daher weder durch Einvernehmen der Parteien, noch durch 
einseitige Anordnung der einen oder eines Dritten ein Vollzug des 
Arbeitsvertrags verfügt werden, der wider das Gesetz oder wider die 
zuten Sitten verstöfst. Die Anordnung einer Ausführung des Arbeits- 
vertrags, durch, welche ein solcher Verstoß begangen werden würde, 
ist ungültig, und daher die Weigerung, eine solche Anordnung zu be- 
folgen, gültig, ja solche Weigerung kann rechtlich oder moralisch ge- 
boten sein. Es kann demnach z. B. eine Arbeiterin, von welcher 
durch den Arbeitgeber oder den Werkführer rechtlich unzulässige 
Überarbeit verlangt wird, sich der Folgeleistung enthalten, ohne eine 
Verletzung ihrer Vertragspflichten zu begehen?, 
Ein besonders bemerkenswerter Fall wider ein Moralgebot ver- 
stoßender Arbeit ist diejenige, durch welche eine Koalitionspflicht 
übertreten wird? Für die Koalitionen der unter die Gewerbeordnung 
fallenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die Erfüllung der hier 
obwaltenden Moralpflichten um so dringender, als diese Koalitionen 
nicht rechtlich zusammengehalten werden. Das Gewicht dieser 
Moralpflichten ist über den juristischen Partei- wie über den sozialen 
Klassengegensatz der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhaben, Denn 
zahlreiche Vorkommnisse lehren, dafs die auf der Arbeitgeberseite 
herrschende Moral die Nichterfüllung der mit dem Beitritt zu einer 
Arbeitgeberkoalition übernommenen Pflichten ebensosehr mißbilligt®, 
als die Arbeitnehmermoral dem koalierten Arbeiter verbietet, seiner 
Koalition zu schaden. Das formale Gebot der Erfüllung der Koalitions- 
pflichten ist ein allgemein anerkanntes, nicht einer „partikulären 
Moral“ angehöriges*, Es haben daher koalierte Arbeitgeber gegen 
einander und koalierte Arbeitnehmer gegen einander die moralische 
Pflicht, zur Erreichung des Koalitionszweckes — Erlangung günstiger 
Lohn- und Arbeitsbedingungen — beizutragen, z. B. durch Aussperrung 
bezw. durch Streik, selbstverständlich unter der Bedingung, dafs. der 
zu Unterstützende nicht etwas Rechtswidriges, z. B. den Bruch eines 
1 Anderes Beispiel: Der Schauspieler „darf die Übernahme von Rollen 
ablehnen, deren Darstellung ihn zu Verstöfsen gegen Moral und öffentliche 
Ordnung nötigen würde“. Opet in Archiv f. civ. Praxis 86, 179 unter b. 
2? Wegen des Begriffs der Koalition und ihres Verhältnisses zu Recht 
and Moral s. Lotmar in Brauns Archiv für soz. Gesetzgebung XV, 48—63, 
3 Es hat z. B. den „Vorwurf unehrenhaften Handelns“, welcher ab- 
irünnigen Arbeitgebern von ihren Koalitionsgenossen gemacht worden war, 
ein schöffengerichtliches Urteil für „sachlich begründet“ erklärt: Soziale 
Praxis IX, 149/50. Vgl. Steinbach, Die Moral als Schranke des Rechts- 
erwerbs (1898) S. 72. 73. 
! Vgl. Knanp, System der Rechtsphilosophie S. 165. 166.
	        
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