Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

VI. Folgerungen für Beschlagnahme und Aufrechnung. 145 
werden, welche der Arbeitnehmer aus dieser Vergütung belohnt. 
Dieses dem Wesen des Lohnes beim Arbeitsvertrag entspringende 
Ergebnis wird dadurch bestätigt, dals die hier bekämpfte Auffassung 
eine nicht erträgliche Konsequenz hat. Sie beeinträchtigt nämlich 
nicht einfach die Wirksamkeit des Beschlagnahmegesetzes zu gunsten 
des Gläubigers, indem sie einen gewissen Teil der Vergütung seinem 
Zugriff frei macht, sondern sie thut dies auf Kosten der Dritten. 
Denn die Gehülfen, die doch dem pfändenden Gläubiger nichts schuldig 
sind, würden in der Realisierung ihrer Lohnforderung gehemmt 
werden, indem so viel, als ihre Forderung beträgt, durch jenen 
Gläubiger gepfändet werden könnte, während die Gehülfen durch das 
Gesetz gehindert sind, ihrerseits den Rest zu gunsten ihrer Forderung 
zu pfänden. Das Gesetz würde ihren Arbeitgeber (den Arbeitnehmer) 
schützen und sie selbst preisgeben. 
Da nach BGB. $ 394, „soweit eine Forderung der Pfändung nicht 
unterworfen ist“, die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt- 
findet?, so kommt die praktische Bedeutung der vorstehenden Auf- 
fassung wie im Verhältnis zum dritten Gläubiger so auch im Ver- 
hältnis zum Arbeitgeber als Gläubiger zum Vorschein. Die dem Ar- 
beitnehmer zustehende Entgeltforderung unterliegt (in den Grenzen 
der Unpfändbarkeit) nicht einer vom Arbeitgeber gewollten Aufrech- 
nung und dies auch nicht so weit, als der vom Arbeitnehmer zu be- 
anspruchende Entgelt von ihm zur Deckung von Lohnansprüchen seiner 
Arbeitnehmer (Gehülfen) bestimmt ist. — 
Der bisher begründeten These, dafs der Vergütung nicht darum 
Auslagenersatz beigemischt ist, weil der Arbeitnehmer seinerseits einen 
Aufwand zur Belohnung von Gehülfen machen mufs, können nicht die 
! Eine der Meinung des Textes entgegengesetzte Entscheidung citiert 
ohne Einspruch G. Meyer, Recht der Beschlagnahme 5. 51, aus Zeitschr. f. 
deut. Civilprozefs XII, 166: Ein im Arbeitsverhältnis zu einer Bahnverwaltung 
stehender Arbeiter hat für die Arbeit des Güterverladens Gehülfen angenommen. 
Ohne Angabe von Gründen hat das Gericht den Lohn jenes Arbeiters nur 
teilweise als Lohn gelten lassen, zum andern Teil (soweit er zur Bezahlung 
der Gehülfen verwandt wird) für Auslagenersatz erklärt. — Zahlreiche Fälle 
der im Text gedachten Art — zu denen nach. dem Beschlagnahmegesetz nur 
solche gehören können, in welchen das Arbeitsverhältnis die Erwerbsthätig- 
keit des Arbeitnehmers vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nimmt, 
und innerhalb 1500 Mk. für das Jahr — bieten der Schnitter und sein Hinter- 
mann (Verhältnisse der Landarbeiter IL 577), der Instmann und sein Schar- 
werker, der Roller und sein Wickler (in der Cigarrenfabrikation), der Schlaf- 
wagenschaffner und sein Wagenputzer, der S. 101% erwähnte Geselle in der 
Mützenfabrikation, der Heimarbeiter und sein Gehülfe. 
2 Näheres in Abschn, II Kapitel 4. 
Lotmar, Arbeitsvertrag, I.
	        
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