Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

XI. Empfänger. 
167 
minderjährigen Arbeitern verdiente Lohn an die Eltern oder Vor- 
münder und nur mit deren schriftlicher Zustimmung oder nach deren 
Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohnzahlung unmittelbar 
an die Minderjährigen gezahlt wird.“ Eine solche Festsetzung bezieht 
sich nur auf diejenigen Minderjährigen, die zu den gewerblichen Ar- 
beitern des siebten Titels der GewO. gehören (nebst den von $ 119% 
gemeinten Hausindustriellen), und als solche einen Arbeitsvertrag ge- 
schlossen haben in einem vom Statut betroffenen Gewerbebetrieb. Wo 
ein solches Statut besteht, ist die von BGB. 8 113 geregelte Ermäch- 
tigung des gesetzlichen Vertreters nicht hinreichend, nämlich «lie 
Gültigkeit der Lohnzahlung an den Minderjährigen davon abhängig, 
lafs dessen gesetzlicher Vertreter jener Lohnzahlung schriftlich zu- 
gestimmt oder den Empfang des zuletzt gezahlten Lohnes bescheinigt 
hat. Außer dieser Erschwerung des Erwerbs der Geschäftsfähigkeit 
für den Empfang der Vergütung soll das Statut noch vorschreiben, 
lafßs der Lohn an den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen ent- 
richtet werden kann, d. bh. nicht an den Gläubiger, sondern an einen 
Dritten. Das Statut vermag. nur festzusetzen, dafs die Vergütung 
an den Dritten entrichtet werden kann mit der Wirkung der Erfüllung. 
Es vermag nicht den Minderjährigen seines Forderungsrechts zu 
Gunsten der Eltern oder Vormünder zu entkleiden, und es vermag 
auch nicht diese Personen neben dem Arbeitnehmer forderungs- 
berechtigt zu machen ?. 
Die Regel, dafs die Vergütung dem Arbeitnehmer zu entrichten 
ist, wird im erörterten Fall durch eine einseitige (gesetzliche oder 
gesetzartige) Verfügung durchbrochen. Es kann ebenso durch eine 
Abrede zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestimmt werden, 
laß die Vergütung gänzlich oder teilweise an einen Dritten entrichtet 
werden könne oder entrichtet werden solle. Da hierdurch der Schuldner 
(Arbeitgeber) in den Stand gesetzt wird, sich durch Zahlung an einen 
Dritten zu liberieren und ebenso dem Dritten eine Einwirkung auf 
ı BGB, $ 362 Abs. 2 gehört nicht hierher; denn die dort in Bezug ge- 
nommenen Vorschriften des 8 185 sind unanwendbar, weil der gesetzliche 
Vertreter mit seiner Empfangnahme nicht als „Nichtherechtigter“ über den 
Lohn verfügt, 
2? Die Zweckmäfsigkeit der durch GewO. $ 119® Abs. 2 Nr. 2 zugelassenen 
statutarischen Bestimmungen ist oft in Abrede gestellt, und daher von dem 
Recht, solche Bestimmungen zu treffen, selten Gebrauch gemacht worden. 
Nach Nothhardt in Zeitschr. f. d. gesamte Staatswissenschaft 55, 366 (1899) 
bestehen solche Bestimmungen in etwa 50 Gemeinden und 7 Kommunalver- 
bänden. S. auch Jahresberichte der preufs. Gewerberäte für 1899 S. 71 (die 
jungen Leute zwingen ihre Eltern, die schriftliche Bescheinigung auszustellen).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.