IIL. Stundung. — Kreditgefahr. IV. Zurückbehaltungsrecht, 377
Daß dem Arbeitnehmer vom Gesetz die Kreditierung der Ver-
gütung (im ökonomischen Sinne) auferlegt ist, bedeutet nicht blo[s,
dafs er, während er sich der Erfüllung seiner Verbindlichkeit widmet,
des Entgeltes entbehrt — was die S. 357 —59 erwähnten wirtschaftlichen
Folgen haben kann — sondern bedeutet auch, dafs er die mit jeder
Kreditierung verbundene Gefahr zu tragen hat. Diese Gefahrtragung
besteht darin, dals, nachdem er die Arbeit geleistet und damit
Mühe und vielleicht auch Kosten ‚aufgewandt hat, er die nun fällige
Vergütung nicht erhält oder die Vergütungsforderung nicht realisierbar
ist, Man weiß aus täglicher Erfahrung, dafs diese Gefahr nicht eine
eingebildete ist, sondern sich nicht selten verwirklicht; man denke
nur an die Bauarbeiter”. Die nämliche Gefahr besteht, wo die
Zahlungszeit durch Privatdisposition so bestimmt ist, dafs die Ver-
gütung der Arbeit nachfolgt.
Zur Abschwächung oder Bekämpfung der Kreditgefahr, welcher
der Arbeitnehmer ausgesetzt ist, dienen Zurückbehaltungsrecht, Sus-
pendierung der Vorleistungspflicht, Vorzugsrecht im Konkurs, Pfand-
recht. Vorschufßs- oder Abschlagszahlungen: Nr. IV—VII3.
IV. Des Zurückbehaltungsrechts wegen der fälligen
Lohnforderung, im Gegensatz zur Einrede des nichterfüllten Vertrags,
ist bereits S. 373 gedacht worden. Dieses Zurückbehaltungsrecht
1 Diese Gefahr wiegt schwerer als die, welche der Arbeitgeber zu tragen
hat, falls er die Vergütung voraus entrichtet, Denn Geldzahlung ist keine
persönliche Leistung wie die Arbeit.
2 Vgl. auch Kommission für Arbeiterstatistik, Verhandlungen Nr. 10
S. 147. 144/5 (mit Bezug auf Kleiderkonfektion): „Die Arbeiterinnen .. . fangen
an zu arbeiten, arbeiten 14 Tage, bekommen keinen Lohn, klagen den Lohn
beim Gewerbegericht ein, bekommen auch ein obsiegendes Urteil und hinter-
her stellt sich heraus, dafs der Mann nicht zu pfänden ist.“ Marx, Kapital I*,
136/37: „In allen Ländern kapitalistischer Produktionsweise wird die Arbeits-
kraft erst gezahlt, nachdem sie bereits während des im Kaufkontrakt fest-
gesetzten Termins funktioniert hat, z. B. am Ende jeder Woche. Überall
schiefst daher der Arbeiter dem Kapitalisten den Gebrauchswert der Arbeits-
kraft vor; er läfst sie vom Käufer konsumieren, bevor er ihren Preis bezahlt
zrhält, überall kreditiert der Arbeiter dem Kapitalisten. Dafs dieses Kredi-
tieren kein leerer Wahn ist, zeigt nicht nur der gelegentliche Verlust des
kreditierten Lohns beim Bankrott des Kapitalisten, sondern auch eine Reihe
mehr nachhaltiger Wirkungen.“
8 Eine bisher nur bei Vergebung öffentlicher Arbeiten angewandte Ma(s-
regel zum Schutz von Arbeitnehmern gegen die erwähnte Kreditgefahr be-
steht darin, dafs der Staat oder die Gemeinde als Arbeitgeber die von ihnen
dem Unternehmer geschuldete Vergütung, falls derselbe in der Belohnung
seiner Gehülfen sänmig ist. an diese letzteren entrichten: oben S. 169.