Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Stellung der Rechtswissenschaft zum AV, . 
13 
Ungleichheit der Macht bei Abschlufs und Vollzug von Arbeitsver- 
irägen einander gegenüberstehen !, 
Die Bedeutung des Arbeitsvertrags — um das Gesagte zusammen- 
zufassen — besteht in der Menge und Mannichfaltigkeit seiner An- 
wendung, die ihn als Schwungrad in der rechtlichen Maschinerie der 
modernen Wirtschaft erscheinen lassen, und ferner darin, dals er ver- 
möge der ihn kennzeichnenden Leistung, der mit dem Einsatz der 
Person verwobenen Arbeit, dem Recht eine schwere, vielseitige Auf- 
gabe stellt, eine Aufgabe, deren Schwierigkeit sich noch dadurch 
steigert, dafs jene Arbeit massenhaft von solchen übernommen wird, 
die keine andere Leistung gegen Entgelt zu bieten haben und für den 
Streit der Interessen nicht mit dem vollen Rüstzeug ausgestattet sind. 
IV. Nach der im Vorstehenden skizzierten gewaltigen Bedeutung, 
die der Arbeitsvertrag im Ablauf des Einzel- wie des Gemeinlebens 
besitzt, und nach der Zahl und Tragweite der Aufgaben, welche er 
der Rechtswissenschaft darbietet, sollte man erwarten, dafs er einen 
bevorzugten Gegenstand der Jurisprudenz bilde, dafs diese sich sowohl 
seiner einzelnen Teile bemächtigt. als einen Aufbau des Ganzen wieder- 
1 Vgl. einerseits Gro(smann, in Verhältnisse der Landarbeiter in Deutsch- 
land II, 498/99 (Schriften des Vereins für Soecialpolitik Bd. 54): „Die ge- 
samten Bedingungen, unter denen der Tagelöhner mit seiner Familie zu ar- 
beiten hat, sind nicht selten durch schriftliche Kontrakte formuliert. Manche 
jedoch legen gar keinen Wert auf solche Kontrakte und teilen daher die 
Arbeitsbedingungen den Tagelöhnern nur mündlich mit, betrachten auch die 
Arbeiter . . . gar nicht als kontraktlich gebunden. Sie sagen, der Kontrakt 
verpflichte doch nur den Arbeitgeber, es sei besser, einen Arbeiter, der nicht ar- 
beiten wolle, laufen zu lassen, als ihn zu zwingen, die Arbeit zu verrichten, 
An vielen Orten weigern sich auch die Arbeiter, einen Kontrakt zu unter- 
schreiben , .“ Fiebelkorn, Die Arbeitervermittelung in der Ziegelindustrie 
'1899) S. 24: „Von schwerwiegender Bedeutung für die Arbeitgeber in der 
Ziegelindustrie ist ihre fast völlige Rechtslosigkeit gegenüber den Arbeitern.“ 
Andererseits M. Weber in Verhältnisse der Landarbeiter III, 774 (Schr. des 
Vereins f. Socialpolitik Bd. 55): „Auch ist ersichtlich, dafs keine Form der 
Erledigung von Streitigkeiten über alle diese Verhältnisse weniger geeignet 
ist, sachgemäfse Resultate zu zeitigen, als die Anrufung der Gerichte. Die 
verwaltungsrechtliche Normierung dessen, was dem Arbeiter observanzmäfsig 
zukommt . .. war den historischen Grundlagen des ländlichen Arbeitsverhält- 
nisses wesentlich angemessener. Wo eine solche Regelung zufolge der Zer- 
setzung der alten Organisationen nicht mehr möglich ist, entscheidet die 
jeweilige Machtlage und sind die Formen des Privatrechts für die Masse der 
nicht grundbesitzenden Landbevölkerung indifferent und von äufserst geringer 
praktischer Bedeutung ... Auch diese indifferente Stellung zum Privatrecht 
ist ein typischer Zug in der Lage des modernen Proletariate.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.