396 IL Abschn. Zahlungszeit. 4. Kap.: Aufrechnung.
forderlichen Vermögensaufwand erst später zu machen braucht, daher
namentlich die dazu gehörigen Mittel, wenn er sie hat, inzwischen
bis zur Fälligkeit seiner Schuld verwerten kann, auch noch die
folgende Konsequenz. Dafs der Arbeitnehmer die Vergütung, um
derentwillen er den Arbeitsvertrag eingegangen hat, nicht schon bei
dessen Eingehung, sondern erst nachdem er die daraus ihm ob-
liegende Leistung gemacht hat, beanspruchen kann, wird für den
Arbeitnehmer einen Beweggrund zur Erfüllung seiner Ver-
bindlichkeit abgeben. Der Arbeitgeber kann bei einer gewissen
wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers darauf rechnen, dieser werde
sich nicht blofßs durch den ethischen Grund, dafs er die Arbeit vertrag-
lich zugesagt hat, sondern auch durch den wirtschaftlichen Grund,
dafs er erst durch die Vornahme der ihm obliegenden Leistung und
nicht schon durch den Empfang der Vergütungszusage zur Vergütung
gelangen wird, bestimmen lassen, die Arbeit zu leisten und bis zur
Zahlungszeit im Arbeitsverhältnis auszuharren. Insofern gewährt die
ihm zustehende Postnumeration dem Arbeitnehmer eine gewisse Sicher-
heit für die Befriedigung seiner Arbeitsforderung!. Der durch Ver-
schiebung der Zahlungszeit auf den Arbeitnehmer ausübbare Druck
zur Arbeit und zur faktischen Aufrechterhaltung des Arbeitsverhält-
nisses läfst sich durch Verbindung mit anderen Mitteln verstärken ®.
Im: allgemeinen nimmt er mit der Entfernung der Zahlungszeit zu:
wenn die Frist bis zur Fälligkeit der Vergütung größer ist, ist oft
auch die Vergütung selbst größer, und das Verlangen, dieses gröfßseren
Betrags teilhaftig zu werden, kann im Arbeitsverhältnis eher festhalten,
als wenn nur eine geringfügige Vergütung in Aussicht steht?. Natür-
1 z.B. „Die Auszahlung des Lohnes erfolgt in der Regel Samstag Nach-
mittag, oft genug aber auch erst am Sonntag, um den Gehülfen zu nötigen,
auch an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit in der Werkstatt zu erscheinen.“
Francke, Schuhmacherei in Bayern S. 183. Jahresberichte der preufsischen
Regierungs- und Gewerberäte für 1899 S. 599 (Weber einer Aachener Tuch-
fabrik sollen durch Verschiebung der Zahlungszeit von Arbeitsniederlegung
abgehalten werden).
2? z. B. „Speziell bei den Knechten finden sich vielfach Klagen über den
Kontraktbruch. (Gemeint sind Klagen der Arbeitgeber über Kontraktbruch
der Knechte.) Es darf daher nicht Wunder nehmen, dafs gerade bei diesen
verschiedene Mafsregeln zum Schutze gegen Kontraktbruch üblich sind. So
wird öfter bei den Knechten im Jahreslohn ausbedungen, dafs der Lohn nur
in steigenden Raten ausbezahlt wird. Dann wird z. B. bei einem Lohn-
satz von 210 Mk. gegeben in den ersten beiden Vierteljahren je 40, dann 50,
zuletzt 80 Mk.“ Landarbeiter in Deutschland II, 506, s. auch das Kontrakts-
formular S. 576, Fiedler, Arbeiterfrage auf dem Lande (1895) S. 22.
3 Eine Auskunftsperson der Wäschekonfektion, wegen der langen, näm-