Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

II. Umfang der Aufrechnung gegen die Lohnforderung, 399 
er Werkzeuge oder Stoffe des Arbeitgebers verdirbt oder veruntreut, 
sich schuldhaft in die Unmöglichkeit versetzt, die ihm obliegende 
Leistung zu machen (BGB. 88 325. 635), in Verzug gerät (SS 286. 
326), sei es, dafs er die Arbeit rechtswidrig verläfst (GewO. $ 124 b) 
der durch vertragswidriges Verhalten dem Arbeitgeber Anlafs zu un- 
vefristeter Kündigung giebt und durch diese Aufhebung des Dienst- 
verhältnisses den Arbeitgeber schädigt (BGB. 8 628 Abs. 2). 
Die Aufrechnung gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers ist 
anwendbar auch ohne Unterschied der Form des Arbeitsvertrags, 
somit beim Akkord nicht minder als beim Zeitlohnvertrag, und ebenso 
dei jedem Typus des Arbeitsvertrags, also bei Dienst- und Werkvertrag, 
bei Mäklervertrag und entgeltlichem Verwahrungsvertrag, bei gewerb- 
lichem Arbeitsvertrag und Heuervertrag, bei allen handelsrechtlichen 
Arbeitsverträgen, z. B. dem Vertrag mit dem Spediteur (HGB. $ 414 
Abs. 3), dem Frachtvertrag mit der Eisenbahn (HGB. 8 469 Abs. 3). 
Die in Rede stehende Aufrechnung ist endlich anwendbar ohne 
Rücksicht auf die ökonomischen Faktoren, durch welche sich Arbeits- 
verhältnisse voneinander unterscheiden, Die Aufrechnung ist nämlich 
anwendbar, wie groß oder wie klein die Beträge der Forderungen 
seien, die als kompensable einander gegenübertreten, und ebenso 
ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Parteien, 
sei es gegenüber Dritten, sei es im Verhältnis zu einander. Eben 
diese begrifflich gegebene Anwendbarkeit der Aufrechnung ohne 
Rücksicht auf die erwähnten ökonomischen Faktoren hat Anlaß ge- 
geben, auf die wirtschaftlichen Folgen ihrer Anwendung zu achten. 
Es kann nicht übersehen werden, dafs die Aufrechnung die Lohn- 
forderung gänzlich oder teilweise aufzehrt, dafs daher durch sie der 
Arbeitnehmer in die Lage kommt, nachdem er die ihm obliegende 
Arbeitsleistung gemacht hat, den versprochenen Entgelt gar nicht 
oder nur zum Teil zu erhalten und sieh gleichwohl als befriedigt 
betrachten zu müssen, weil er von einer Schuld gänzlich oder teil- 
weise befreit worden ist. Wenn er diese Schuldbefreiung nicht als 
Einnahme empfindet, so muß er sich umsonst oder um geringeren 
als den versprochenen Lohn gearbeitet zu haben scheinen. Dazu 
kommt, daß er beabsichtigt haben kann, die Schuld, von der ihn 
die Aufrechnung befreite, zu einer in seinen Wirtschaftsplan passen- 
den Zeit freiwillig zu tilgen, während er nun durch die Aufrechnung 
wie durch Exekution genötigt worden ist, jene Schuld ohne Rücksicht 
auf seine Wirtschaftslage zu begleichen!. Setzt man zu alle dem 
Andererseits verweisen die Motive zu Entwurf I des BGB. Bd. II, 113
	        
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