08 II. Abschn. Zahlungszeit. 4. Kap.: Aufrechnung.
Dieser die einseitige Aufrechnung des Arbeitgebers ausschliefsende
Rechtssatz spricht nicht die Ungültigkeit des Aufrechnungs vertrags
aus. Aufrechnungsvertrag ist hier die Übereinkunft zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, durch welche für die Fälle, in denen
das Gesetz die einseitige Aufrechnung versagt, dem Arbeitgeber ge-
stattet wird, jede oder eine gewisse Forderung, die er wider den
Arbeitnehmer hat oder haben wird, gegen dessen Lohnforderung auf-
zurechnen, d. h. sich selbst dadurch zu befriedigen, daß er nach
Mafsgabe seiner Forderung keinen oder geringeren Lohn zahlt. Wäre
2in solcher Vertrag gültig, so würde dieser Erfolg (kein Lohn oder
Lohnreduktion) in vielen Fällen eintreten und gewöhnlich da, wo
dem Arbeitnehmer die wirtschaftliche Widerstandskraft fehlt, die
Proposition zu einem solchen Aufrechnungsvertrag abzulehnen?, und
dies würde gerade der Arbeitnehmer sein, der an der Erlangung des
Lohnes und des vollen Lohnes wirtschaftlich besonders interessiert ist,
derselbe, dem BGB. $ 394 vorzüglich zu gute kommt. Allein der
erwähnte Aufrechnungsvertrag kann nicht als gültig angesehen werden ?.
Das BeschlG. 8 2 steht seiner Gültigkeit entgegen. Dafür kann man
sich vielleicht nicht auf Abs. 1 berufen?: aus demselben würde folgen,
Jlalßs dem Arbeitgeber das (vom Gesetz entzogene) Recht einseitiger
Aufrechnung gegen die Lohnforderung nicht durch Vertrag eingeräumt
werden kann. Aber jedenfalls wird durch Abs. 2 ein Aufrechnungs-
vertrag der gedachten Art ausgeschlossen*: denn er ist eine „durch
ı Was Wolff in Gewerbegericht II, 118 mit den Worten ausdrückt:
„Der billig denkende Arbeiter wird nichts gegen Abzüge in Raten ein-
zuwenden haben.“
? Unschlüssig ist die amtsgerichtliche Argumentation (Gewerbegericht VI,
128 Nr. 42), das Aufrechnungsverbot des $ 394 BGB. beruhe „auf sozial-
politischen Gründen“ und sei daher zwingenden Charakters. Auf sozial-
politischen Gründen beruhen die meisten Vorschriften des BGB., darunter
viele anerkannt dispositive. — Ungültig wie der Aufrechnungsvertrag ist auch
die Bestimmung einer Arbeitsordnung, welche die Arbeiter verpflichtet,
sich Lohnabzüge, z. B. wegen von ihnen verursachten Schadens, gefallen zu
lassen: Gewerbegericht V, 154. 155. VI, 98 Nr. 31. Arbeitsordnungen mit
solcher ungültiger Bestimmung scheinen nicht selten zu sein; es liegen mir
mehrere vor. Ungültig ist auch die Bestimmung der AO. f. d. kgl. Steinkohlen-
bergwerk Reden in $ 42 Nr. 5, wonach Abzug vom Lohn zugelassen wird
für „Kapitalrückzahlungen auf gewährten Hausbauvorschufs“,
® „Die Bestimmungen des $ 1 können nicht mit rechtlicher Wirkung
durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.“
* „Soweit nach diesen Bestimmungen die Beschlagnahme unzulässig ist,
ist auch jede Verfügung durch Cession, Anweisung, Verpfändung oder
durch ein anderes Rechtsrveschäft ohne rechtliche Wirkung.“