410 IL. Abschn. Zahlungszeit. 4. Kap.: Aufrechnung.
wie starke Verbreitung dieses für den Arbeitgeber bequeme und un-
fehlbare Mittel, sich Befriedigung zu verschaffen, besitzt. Dieses Mittel
kommt gewöhnlich in Lohnabzügen zum Ausdruck und fungiert so
zuverlässig, dafs es auch zur Realisierung von Forderungen Dritter
gegen den Arbeitnehmer gebraucht oder mifsbraucht wird!, sei es,
dafs der Dritte seine Forderung dem Arbeitgeber abgetreten hat, sei
es, dafs der Arbeitgeber ohnedies im Interesse des Dritten.dem Arbeit-
nehmer einen Abzug macht und das solchergestalt Nichtbezahlte dem
Dritten für Rechnung des Arbeitnehmers zahlt. Freilich handelt es
sich im letzteren Fall juristisch nicht um Aufrechnung, sondern um
Anweisung, aber um eine, die nach dem BeschlG. $ 2 Abs. 2 (S. 408%)
so unzulässig ist als die Beschlagnahme ?,
Der nunmehr vom BGB. innerhalb der angegebenen Schranken
verfügte Ausschlufßs der Aufrechnung gegen die Vergütungsforderung
ist, trotz der erwähnten, mit den Verhältnissen gegebenen Versuchung
zu häufiger Anwendung der Kompensation, nicht zu bedeutender
Wirkung bestimmt. Nicht sowohl darum, weil er nur privatrechtlich
sanktioniert? und nicht wie die unter IV zu besprechende Repro-
bation durch Strafdrohung unterstützt ist, als darum, weil die that-
der Fabrik Räder erhielten, wird bei den Lohnzahlungen ein Betrag von
5—10 Mk. monatlich gekürzt.“ „Gekürzt“ wird nicht der Betrag, sondern der
Lohn, und zwar mittelst Aufrechnung.
1 „Lohnabzüge für Forderungen Dritter wurden in Ober-, Mittel- und
Unterfranken . . . festgestellt.“ Amtl. Mitteilungen aus den Jahresberichten
der Gewerbeaufsichtsbeamten f. 1898 S. 145.
? In einem mir vorliegenden Engagementsformular einer dem Bühnenverein
angehörigen Bühne heifst es : „Jedes Mitglied, welches der Genossenschaft deutsch.
Bühnenangehöriger angehört, ist verpflichtet, sich die statutenmäfsigen Beiträge
monatlich von Gage bez. Spielgeld abziehen zu lassen... Die den Agenturen
zukommenden Provisionsbeträge sind . . . seitens der Theaterkassen in Abzug zu
bringen.“ Vgl. Opet, Theaterrecht S. 451. 476. 480. S. und B. Webb, Theorie
und Praxis der engl. Gewerkvereine (deutsch von Hugo) I (1898) S. 187. 188:
„Die Unternehmer ziehen ihren Arbeitern monatlich einige Pence, als Beitrag
zu dem Gewerkverein, ab.“ Bericht über die Verhandlungen der Arbeits-
nachweis-Konferenz zu Leipzig (Hamburg 1898) 8. 33: Vorschlag zur Über-
weisung von Arbeitern durch einen Arbeitsnachweis an einen anderen aus-
wärtigen gegen einen Revers des Arbeiters, „dafs ihm das Reisegeld inkl.
Zehrgeld vorschufsweise gegeben sei und er sich einen Abzug von seinem
Lohne in dieser Höhe gefallen lassen wolle, falls er weniger als drei Monate
bei der zugewiesenen Firma arbeiten sollte“, Gewerbegericht V, 162: ein
Arbeitgeber will gegen das Lohnguthaben des Arbeitnehmers eine Forderung
der Fabrikkrankenkasse aufrechnen. Vorwärts vom 30. April 1898 (Kom-
pensation mit cedierter Gegenforderung). Gewerbegericht VI, 78 Nr. 24.
3 Hierzu ist auch das Recht unbefristeter Kündigung zu zählen.