IV. Aufrechnungsverbot des 8 115 Abs. 1 GewO. 411
sächliche Duldung der Aufrechnung vielen Arbeitnehmern als der
Preis erscheint, um den allein sie zu einer Fortsetzung oder Er-
neuerung des Arbeitsverhältnisses gelangen können‘. Es ist doch
wohl kein Zufall, daß ein Widerstand gegen die Kompensation und
der Streit um deren Zulässigkeit vorwiegeud nach Lösung des
Arbeitsverhältnisses zur Kognition der Gerichte kommt.
IV. Eine zweite, jedoch spezialrechtliche Beschränkung der
Aufrechnung gegen die Lohnforderung des Arbeitnehmers bietet- GewO.
8 115 Abs. 1:
„Die Gewerbetreibenden sind verpflichtet, die Löhne ihrer
Arbeiter in Reichswährung zu berechnen und bar auszuzahlen.“
Diese Vorschrift ist im Verhältnis zu dem unter III. behandelten
Aufrechnungsverbot des $ 394 BGB. insofern
1. enger, als sie sich nur auf gewisse Arbeitgeber und gewisse
Arbeitnehmer bezieht (vgl. S. 402 Nr. 1 und 4);
2. schärfer, als sie nicht blofs civilrechtlich, sondern auch straf-
rechtlich sanktioniert ist;
3. weiter greifend?, als sie nicht an die Schranken gebunden
ist, welche durch Vermittelung von CPO. $ 850 Nr. 1 und des
BeschlG. für BGB. $ 394 gelten: oben S. 403. 404. ;
Da nach dem unter 2. und 3. Angeführten der Vorschrift von
GewO. 8 115, soweit sie die Aufrechnung trifft, nach Thatbestand
und Wirkung auch ein eigener Bereich zukommt, so läßt sich schon
von vornherein annehmen, dafs sie in diesem Bereich durch BGB.
8 394 nicht aufgehoben worden Sei.
ad 1. Während BGB. 8 394 auf. Lohnschuldner jeder Art
anwendbar ist, bezieht sich GewO. S 115 unur auf Gewerbe-
1 Vgl. Frankenberg in Deutsche Juristenzeitung 1900 S. 92: „Gegen
die Umgehung giebt es für den Richter Mittel genug, aber es wird oft an
Klägern fehlen.“
2 Das bezieht sich hier natürlich nur auf die Aufrechnung. Das
Gebot der Barzahlung umfafst ja mehr als das Verbot der Aufrechnung,
weil das Gebot der Barzahlung nicht nur die Aufrechnung, sondern auch alle
anderen Mittel, eine Schuld zum Erlöschen zu bringen, aufser der Barzahlung,
ausschliefst, namentlich die Hingabe an Erfüllungsstatt (BGB. 8 364), die
Hinterlegung unter Ausschlufßs der Rücknahme des Hinterlegten ($ 378), den
Schulderlafs (8 397 Abs. 1) und die Anerkennung des Nichtbestehens der
Schuld (8 397 Abs. 2). Da im obigen Zusammenhang nur von der Aufrechnung
die Rede ist, so kommt gegenüber $ 394 BGB. der $ 115 GewO. nur als Auf-
rechnungsverbot in Frage.