Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

424 II. Abschn. Zahlungszeit, 5. Kap.: Zurückbehaltung. 
sprüche (außer dem auf Arbeitsleistung) durch Zurückbehaltung der 
Vergütung decken kann, rührt gerade davon her, dafs die Zahlungs- 
zeit beim Arbeitsvertrag regelmäfsig zu Gunsten des Arbeitgebers ge- 
ordnet, nämlich der Arbeitnehmer verpflichtet ist, mit der Arbeit 
voranzugehen. Durch diese Lage der Zahlungszeit ist der Arbeitgeber 
in die Lage versetzt, noch nachdem die Arbeit geleistet worden ist, 
wie gegen die Vergütungsforderung aufzurechnen, so die Vergütung 
zurückzubehalten. 
Zur Aufrechnung wie zur Zurückbehaltung ist man von Rechts 
wegen befugt und nicht erst auf Grund einer Privatdisposition, eines 
Kompensations- oder Retentionsvertrages. Aber während dem Arbeit- 
geber, als Schuldner der Vergütung aus dem Arbeitsvertrag, durch 
gesetzliche Bestimmungen, nämlich BGB. $ 394 und GewO. $ 115, 
die Aufrechnung gegen die Vergütungsforderung verwehrt oder nur in 
engen Schranken gestattet ist, ist die Zurückbehaltung der Vergütung 
durch kein gesetzliches Verbot ausgeschlossen oder eingeschränkt. Das 
Retentionsrecht ist gegeben, wenn seine allgemeinen gesetzlichen Voraus- 
setzungen (BGB. 8 273) vorliegen. Selbst gegenüber dem Anspruch auf 
Vorschufs- und Abschlagszahlung ist die Zurückbehaltung statthaft, 
im Gegensatz zur Aufrechnung (S. 420—23). Da hierbei die Un- 
statthaftigkeit der Aufrechnung, wie wir sahen (S. 421), nicht auf einem 
besonderen Verbot beruht, so mufs die Verschiedenheit des Verhaltens 
von Aufrechnung und Zurückbehaltung gegenüber dem Anspruch auf 
Vorschufßs- und Abschlagszahlung in einem Unterschied von Kom- 
pensation und Retention begründet sein; dieser Unterschied ist der 
folgende. Die Retention ist ein Nichtthun, ein negatives Verhalten; 
sie besteht in einer Verweigerung — der berechtigte Schuldner „kann 
die geschuldete Leistung verweigern“! —, und diese Verweigerung ist 
möglich, sobald der Tag für die Vorschufs- und Abschlagszahlung 
gekommen ist. Dagegen die Kompensation ist ein Thun, ein positives 
Verhalten; sie erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Gläubiger- 
Schuldner, aber der Kompensierende kann sie erst abgeben, wenn er 
die ihm obliegende Leistung bewirken kann, und das hängt bei 
Vorschufs- und Abschlagszahlung nicht von ihm ab und ist hier nicht 
mit dem Eintritt der Zahlungszeit gegeben (S. 421). 
Der Ausschlufs der Aufrechnung gegen die Lohnforderung, soweit 
er auf Verbot beruht, ist anerkanntermafßsen der Privatdisposition 
! Dafs er seiner Weigerung in Worten, also durch eine Handlung Aus- 
druck geben kann und dies oft thut, wird damit nicht in Abrede gestellt. 
Vgl. BGB. 8 202 Abs. 2 „Einrede des Zurückbehaltungsrechts“.
	        
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