IL. Vertragsmäfsiges Einbehaltungsrecht. 435
rechnung nur gegenüber der Lohnforderung; die in Rede stehenden
Versicherungsgesetze erlauben umgekehrt die Einbehaltung nur
gegenüber der Lohnforderung: hier wäre also schon logisch nicht das
Verhältnis von Regel und Ausnahme gegeben. Drittens kann auf-
gerechnet werden mit einer Forderung bis zu ihrer Verjährung, ja
noch darüber hinaus (BGB. $ 390), während das von den Versicherungs-
gesetzen dem Arbeitgeber verliehene Recht nur bei der nächsten oder
noch der übernächsten Lohnzahlung, dagegen später in der Regel
nicht mehr geltend gemacht werden kann (S. 347).
III. Die eben besprochenen gesetzlichen Einbehaltungen kommen
zwar gemälfs der grofsen Zahl der Versicherten massenhaft vor, allein
sie bieten doch darum ein geringeres privatrechtliches Interesse als
alle anderen Einbehaltungen, weil sie nur einem Zwecke dienstbar
sind, nämlich der Erstattung von Auslagen des Arbeitgebers. Sie
haben ihren Anlaß oder Grund in der Vergangenheit. Das vertrag-
liche Einbehaltungsrecht, dem wir uns nun und ausschliefslich zu-
wenden, steht dem gesetzlichen in der Häufigkeit des Vorkommens
wohl nicht viel nach und bietet dadurch ein gröfseres Interesse, dafs
seine Anwendung mannigfaltiger ist. Diese Einbehaltung dient
mehreren, sehr verschiedenen Zwecken, und einbehalten wird hier
nicht wegen vergangener Aufwendungen, sondern um gewisser künf-
tiger Wirkungen willen: wo die Vergütung einen Abzug erleidet zur
Deckung bereits vorhandener Lücken im Vermögen des Arbeitgebers,
haben wir es nicht mit Einbehaltung zu thun.
Auch diese (die vertragsmäßige) Einbehaltung ist von der Auf-
rechnung deutlich verschieden, und zwar dadurch, dafs sie nur ein
Provisorium schafft: die einbehaltene Vergütung ist damit der Ver-
fügung des Arbeitnehmers keineswegs für immer entrückt, nämlich
nicht schon durch die Einbehaltung, während seine Vergütungsforderung,
soweit sie von der Aufrechnung ergriffen wird, definitiv erlischt.
Auch setzt diese Einbehaltung nicht wie die Aufrechnung voraus,
dafs der Arbeitgeber eine Gegenforderung gegen den Arbeitnehmer
habe — man denke an die Einbehaltung, die nur zur Speisung eines
1 wie auch der Name „Einbehaltung“ hinfort nur mit Bezug hierauf ge-
braucht werden wird,
2 Die Abrede oder die Bestimmung einer Arbeitsordnung, dafs bei den
Lohnzahlungen „einbehalten“ werden sollen gewisse Teile von, dem Arbeit-
aehmer geliehenen Baukapitalien, verleiht kein Einbehaltungsrecht, da das
angeblich Einbehaltene unbedingt und dauernd dem Arbeitgeber zukommen
und verbleiben soll. Hier ist vielmehr Aufrechnung verfügt, Vgl. oben.
83. 4082.