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der Einbehaltung, die nichts weiter als Einbehaltung ist, findet keine
Berichtigung statt und ist auch keine intendiert. Es wird nur die
Barzahlung gänzlich oder teilweise hinausgeschoben. Der Voll-
zug einer Stundung wird durch GewO. 8 115 so wenig als durch
BGB. ausgeschlossen.
Anders allerdings, wenn kein Aufschub, also nicht eine blofse
Einbehaltung, sondern eine Berichtigung der Lohnforderung im Mas
des Nichtbezahlten vereinbart wurde, indem das sogenannte Einbe-
haltene hinfort als Darlehen beim Arbeitgeber stehen oder von diesem
einem dritten Fonds zugeführt werden soll. In solchen Fällen wird
eine Schuldumwandlung oder für Rechnung des Arbeitnehmers eine
Zahlung vorgenommen. Die Lohnforderung soll als getilgt gelten,
es soll so angesehen werden, wie wenn der Arbeitnehmer den ge-
schuldeten Lohn empfangen und wiederum zur Gewährung eines
Darlehens, zur Einzahlung in eine Spar- oder Pensionskasse, einen
Bibliotheks- oder Vergnügungsfonds verwandt hätte. Eine solche
über den Einbehaltungsvertrag hinausgehende und nicht
mehr dafür anzusehende Vereinbarung verstöfst allerdings gegen das
Gebot barer Auszahlung der Löhne. Auch kann man es verstehen,
dafs derart in die Konsumtionsfreiheit des Arbeitnehmers eingreifende
Übereinkünfte nicht schlechthin anerkannt werden. Sie gelten bei
gewerblichen Arbeitsverhältnissen nur in beschränktem Umfang,
nämlich nur soweit sie sich auf GewO. $ 117 Abs. 2 stützen können !. —
Von der Regel, dafs dem Arbeitgeber die Lohneinbehaltung durch
Vertrag gestattet werden kann, macht nicht die GewO., wohl aber
HGB. $ 64 eine Ausnahme. Hier ist zur Sicherung der Vorschrift,
laß die Zahlung des dem Handlungsgehülfen zukommenden Gehalts
am Schlusse jedes Monats zu erfolgen hat, bestimmt: „Eine Verein-
IV. Einbehaltungsvertrag.
! GewO. 8 117 Abs. 2 lautet: „Dasselbe (nämlich Nichtigkeit) gilt von
Verabredungen zwischen den Gewerbetreibenden und den von ihnen beschäf-
:igten Arbeitern über die Entnahme der Bedürfnisse der letzteren aus ge-
wissen Verkaufsstellen, sowie überhaupt über die Verwendung des Ver-
lienstes derselben zu einem anderen Zwecke als zur Beteiligung an Ein-
richtungen zur Verbesserung der Lage der Arbeiter oder ihrer Familien.“
Man darf hieraus schliefsen, dafs Abreden über die Verwendung des Ver-
dienstes zu Wohlfahrtseinrichtungen gültig sind. Auch wenn man diese
„Verwendung“ parallel der zuvor genannten „Entnahme“ als Verwendung
durch den Arbeiter denkt, so kann man schwerlich dem Resultat entgehen,
Jafs eine Abrede gültig ist, welche dem Arbeitgeber gestattet, unter eigener
Liberierung Lohnbeträge in Arbeitersparkassen u. dgl. zu zahlen. Die Gültig-
keit wird von Fuld a. a. O. bestritten, vom Gewerbegericht V, 162 ohne
weiteres angenommen. Vgl. oben S. 4361.